Profile 1-2021

wirk- lich jedes Jahr in die Ferne reisen müssen, haben unseren Freundeskreis durchsiebt und unseren Kleiderschrank ausgemistet. Es ist eine Zeit, in der Ab- schiednehmen und Aufbruch sehr nah beieinanderliegen. Loslassen, das ist die wahre Kraft des Moments. Der Philo- soph Theodor Adorno hat dies einmal anhand eines ganz einfachen Beispiels verdeutlicht – dem Feu- erwerk: Dieses sei „die perfektes- te Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht.“ Der Moment, er leitet uns, die richtigen Ent- scheidungen zu treffen. Verstanden nicht als Augenblick, sondern als der richtige Zeitpunkt, etwas zu tun, gibt er unserem Tun, auch dem ganz alltäglichen, eine neue Sinnhaftigkeit – und wenn es nur darum geht, die Corona-Pfunde hinter sich zu lassen ... Auch die Werbung hat dem Moment übrigens schon einiges abgewonnen: Doch die sprichwörtliche Flüchtigkeit des Augen- blicks wirkt offenbar kon­ traproduktiv, was die Werbe- botschaften angeht. Denn wer erinnert sich wirklich an Slogans wie die des Heimwer- kermarktes Obi „Das Leben ist voller Obi-Momente“ (2015) oder „Alles für diesen Moment“ der Lufthansa (2004) ...? Vielleicht ist das aber gut so: Denn wir haben losgelassen. Silke Bruns Foto: Masaaki Komori/unsplash PROFILE 1–2/2021 13

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