Profile 1-2021

V or rund einem Jahr hat die Stadt Köln eine Studie zur Inte- gration von Kreativ- räumen und kultu- rellen Raumbedarfen in die Stadtplanung vorgestellt: Kunst und Kultur fördern danach „die funktionale und soziale Viel- falt in den Städten und tragen somit erheblich zur Steige- rung der Lebensqualität“ bei. Ohne den Schutz von vorhan- denen und die Integration neuer Kreativräume in die Planung städtebaulicher Entwicklung seien Teile der kulturellen und kreativen Di- versität unserer Städte gefährdet. Wenn es nach den Strategieberatern von Key- lens geht, dann könne und solle man auch Retail als kulturellen Raum verste- hen. Für dieses Konzept spricht einiges. AUF DER BÜHNE DES HANDELS Geschäfte und Läden bestimmen seit Jahrzehnten das Bild unserer Innen- städte: Die City selbst gilt vielen zu Recht als Kulturgut. Um lebendi- ge, attraktive Innenstädte wird Europa seit Jahrzehnten von den USA beneidet, wo – zumindest außerhalb der Großstädte – triste Einkaufsstraßen das Shopping im Freien bestimmen. Die Bühne des Handels muss aber nun auch in Deutschland neu bespielt werden – und damit sind nicht nur die örtlichen Fußgängerzonen oder die öffentlichen Plätze gemeint. Vielmehr kann und muss das kulturelle Leben von den Ge- schäften und Läden selbst ausgehen, sich in sie verlagern. Die Parfümerie als Ort der Hoch- und der Popkultur, U & E unter einem Dach, mondän, aufregend, nobel? Rachel Shechtman vom New Yorker Concept Store „Story“ hat schon vor ei- nigen Jahren ein solches neues Konzept für den stationären Handel angedacht: Ein Geschäft muss danach ein Pro- gramm haben wie eine Galerie und sein Angebot entsprechend wechseln. Dieser Vergleich mit einer Galerie, einer Aus- stellung oder auch einem Museum ist aktueller denn je. Denn es gilt heute, die Dinge, die zu verkaufen sind, zu kuratie- ren, wie eine Sammlung. „Kuratieren“ ist in den vergangenen Jah- ren in vielen Teilen der Wirtschaft zu ei- nem Buzzword geworden: Da werden Inhalte in Zeitungen kuratiert, Playlists auf dem Smartphone oder direkt bei Apple Music – oder auch Waren in Ge- schäften. Der Raum, in dem man sich trifft, der kulturelle Raum, ist eben ein Raum, den man gestalten muss – mit und durch die Waren. Dies gilt umso mehr, als das klassische Geschäft mit seinem begrenzten Raum mit dem Internet, in dem es immer alles gibt, rein faktisch nicht mithalten kann. Natürlich kann dieses Konzept heute aber nicht ohne eine digitale Verlänge- rung gedacht werden: Nicht nur die Wa- re, auch die Kultur, das Kauferlebnis, muss sich ins Internet, in die sozialen Medien verlagern – und das gelingt vor dem Hintergrund der Interpretation des Handels als kulturellem Wert umso bes- ser. NEUES SPEKTRUM DER MÖGLICHKEITEN Gerade im Luxussegment ist das Ver- ständnis eines Ladens als kultureller Raum von besonderer Bedeutung – ins- besondere wenn zwei Retail-Megatrends der vergangenen Jahre ins Spiel kom- men: Emotionalisierung und Eventisie- rung. Denn diesen beiden Begriffen wohnt, heruntergebrochen auf ein ein- zelnes Geschäft, mitunter eine gewisse Banalität inne: Wie lassen sich auf 100, 150 oder 200 Quadratmeter Ladenflä- che, über die Präsentation der Marken hinaus, Gefühle wecken; wie kann der „Massenspaß“, als der das Event ja ge- meinhin gilt, in das Geschäft einziehen? Begreift man die Fläche und den Raum, der einem zur Verfügung steht, jedoch als kulturellen Raum, erweitert dies das Spektrum der Möglichkeiten. Kulturelle Räume erlauben es, sich zu begegnen. Sie inspirieren und beflügeln. RÄUME der KULTUR Wenn sich der Handel aus der Innenstadt zurückzieht, werden Läden mehr und mehr zu kulturellen Räumen. Das ist auch ein Ansatz zur Gestaltung der Geschäftstätigkeit. 17 PROFILE 1–2/2021

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