Profile 1-2021

Foto: renee-fisher/unsplash die sich nun der „offiziellen“ Ruhe- standsgrenze nähern, entstammen einer Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg in eine Phase radikaler Erneu- erung geboren wurde. Kommunikation, Mobilität, Technologie, internationaler Austausch, all das ist für sie normal und selbstverständlich. In einer Konsumge- sellschaft in Frieden zu leben, ist nicht mehr der Rede wert, da es der Erfahrung eines ganzen Lebens entspricht. Rechts- staatlichkeit und Selbstbestimmung ha- ben das Eigenbild tiefgreifend geprägt.“ Folgt man den Zukunftsforschern ent- steht derzeit eine Multi-Aging-Kultur mit „unzählbaren individuellen Formen des Alterns“. Inzwischen trenne man das Alter sogar in drei Phasen: die „jungen Alten“, „die mittleren Alten“ und „Hochaltrige“. 70 IST DAS NEUE 50 Die Selbst-Wahrnehmung älterer Kun- den hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert: 70 ist das neue 50, hat sich der Küchenhersteller Poggenp- ohl vor zwei Jahren im Handelsblatt zi- tieren lassen: Denn selbst 70-Jährige leisten sich inzwischen auch noch mal eine neue Küche, wo früher bei 50 Schluss war. Vielleicht ist 70 aber auch das neue 20: Denn der Lebensstil der SAYAHs orientiert sich bewusst oder unbewusst an dem wesentlich jüngerer Menschen: Sie hören AC/DC, gehen zu Pop-Konzerten, lassen sich Essen lie- fern, legen sich Playlists bei Apple Mu- sic an, tindern und schauen Netflix. Be- zogen auf den Konsum stellte die Allensbacher Markt- und Werbeträge- ranalyse, kurz AWA, im vergangenen Jahr fest, dass die über 60-Jährigen grundsätzlich mehr Zeit haben, sich be- wusst zu ernähren, dass sie mehr Wert darauf legen, sich etwas zu gönnen, dass sie öfter bereit sind, für gute Qualität mehr auszugeben als jüngere Alters- gruppen. DIE JUNGEN ALTEN GEBEN MEHR AUS So sind die Silver Ager in Deutschland eine immer wichtigere Käufergruppe ge- worden – und ihre Bedeutung als Wirt- schaftsfaktor nimmt zu. Zwischen 1993 und 2013 stiegen die Konsumausgaben der über 60-Jährigen von 192,2 auf 375,3 Milliarden Euro – fast eine Ver- dopplung. Was zum einen daran liegt, dass die Gruppe immer größer wird, weil die Menschen immer älter werden und der Nachwuchs fehlt. Zum anderen aber hat auch der einzelne Mensch immer mehr Geld zur Verfügung. NEUE TECHNIK HÄLT JÜNGER Oft sind es harte Faktoren, die den jun- gen Lebensstil der Alten befördern: „Die rasante technische (Weiter-)Entwick- lung hat großen Einfluss auf das Leben älterer Menschen. Vielfach bedeutet sie nicht weniger als einen echten Kultur- wandel im Alltag, vergleichbar dem der Industrialisierung im 19. Jahrhundert“, heißt es so auch im achten Altersbericht der Bundesregierung aus dem vergange- nen Jahr. Ein kleiner Rückschlag in der Selbst-Wahrnehmung zeichnet sich in- des angesichts der Corona-Pandemie ab: Plötzlich sind die SAHYAS Risikogrup- pe – denn die beginnt, egal wie gut man sich fühlt, wie viel Zeit man sich nimmt und hat, tatsächlich schon ab 50 Jahren. Nicht minder schlagen aber auch weiche Faktoren zu Buche. „Man ist so jung, wie man sich fühlt“, ist das Klischee aus den 80ern; „Man ist so jung, wie man aussieht“, das der 2000er Jahre. Heute dagegen heißt es: „Man ist so jung, wie man denkt.“ Und das ist gut so. Alter ist eben auch ein Stück weit Ansichtssache. Silke Bruns 31 PROFILE 1–2/2021

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