Profile 1-2021

E in Drittel bis die Hälfte aller Bundesbürger nutzt heute schon Podcasts – Tendenz stei- gend. Es sind ebenso viele Männer wie Frauen und eher Menschen bis 50 Jahre. Darüber werden Podcasts eher uninteressant. Dabei wol- len sich laut einer Studie der Meinungs- forscher von YouGov 35 Prozent der Be- fragten unterhalten lassen, 34 Prozent setzen auf Information. Bei 32 Prozent stehen die berufliche Weiterbildung und die persönliche Weiterentwicklung im Mittelpunkt. Einer Studie der Burda- Marktforschung zufolge hört demnach jeder im Schnitt sechs verschiedene Pod- casts, die überwiegend über das Smart- phone abgespielt werden; die Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners geht davon aus, dass drei Po- dcast-Serien regelmäßig konsumiert wer- den. Podcasts sind dem Ursprung nach ge- sprochene Blog-Beiträge, individuell, persönlich, emotional. Das Besondere an Podcasts ist dabei sicherlich ihre Authen- tizität: Hier sprechen ein, oft aber zwei Menschen über ein Thema, das ihnen am Herzen liegt – nicht getrieben, son- dern in aller Ruhe, (scheinbar) ohne Skript und ganz bei sich selbst. Podcasts sind kein Showformat, das trommelt, sondern im Ursprung wissensgetrieben, eher ein langer, ruhiger Fluss – auf dem man sich aber auch mal treiben lassen darf und abschalten kann. Entsprechend stehen Podcasts im Kontext des bewuss- ten Konsums, der Nachhaltigkeit: Man lässt sich nicht passiv berieseln, sondern wählt gezielt die Inhalte aus, die einen interessieren. Tatsächlich ist die formale Bildung der Hörer Studien zufolge auch eher hoch. Wer einen Podcast hört, lässt sich darauf zudem meist komplett ein, fokussiert sich und konzentriert sich auf das Hörerlebnis: 26 Prozent der Deut- schen machen neben dem Podcast-Hö- ren nichts anderes, wie eine Studie des Hamburger Verlags Gruner und Jahr be- legt. Unter dem Dach des Formats gibt es ei- nen bunten Strauß an Anbietern und Themen: Comedy-Autoren und Come- dians erzählen Anekdoten aus ihrer Ju- gend und ihrem beruflichen Alltag („Ge- mischtes Hack“), anerkannte Historiker Geschichten aus der Geschichte. Mode- ratoren flachsen über Gott und die Welt („Fest & Flauschig“), renommierte Jour- nalisten lassen Kriminalfälle Revue pas- sieren („Verbrechen“). Auch im Bereich der Kosmetik gibt es eine Reihe guter, informativer und witziger Podcasts – überwiegend von Beauty-Journalistin- nen und -Bloggerinnen, aber auch von Kosmetikwissenschaftlerinnen. Immer wieder eingebunden werden auch Exper- tinnen aus Unternehmen. AUS HÖRERN WERDEN SCHNELL FOLLOWER Wie in den sozialen Medien werden aus Hörern unmittelbar Fans und Follower: Podcasts ziehen die Menschen schnell in ihren Bann, binden sie an das Format. Denn die Hörer „versinken in Wortum- gebungen“, wie Oliver Zöllner, Professor für Medienforschung, internationale Kommunikation und digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart, es unlängst in der Zeitung „Augsburger Allgemeine“ so treffend beschrieben hat. Hören wirkt zudem auch stärker unter- bewusst. Kein Wunder, dass der Hörer die nächste Folge eines Podcasts, wie der Serienjunkie auf Netflix, stets mit großer Spannung erwartet. Immerhin 58 Pro- zent der von Simon-Kucher & Partners Befragten können sich definitiv (35 Pro- zent) oder vielleicht (23 Prozent) vorstel- len, für ihre Lieblingspodcast-Reihe zu bezahlen. Das Kölner rheingold Institut hat in ei- ner tiefenpsychologischen Studie mit Werbetreibenden als einen wesentlichen Erfolgsfaktor von Podcasts im Übrigen die „Alltagsflucht bei gleichzeitigem Weiterfunktionieren“ ausgemacht. „Pod­ casts können zwei Bedürfnisse besonders gut erfüllen: einerseits das Streben nach effizientem Multitasking sowie die Stei- gerung der eigenen Performance, ande- rerseits die Flucht aus dem Alltag. Dem zugrunde liegt bei beiden Verfassungen ein Gefühl des Feststeckens, das durch Podcasts angenehm gelöst wird. Das kann zum Beispiel ein Gedankenkarus- sell durch Sorgen oder Überlastung oder ein dicht getakteter Lockdown-Alltag im Home-Office sein, der keine Pausen er- möglicht. Hier bieten Podcasts zum Bei- spiel beim Kochen oder Aufräumen eine kleine Flucht, bei der man dennoch noch funktioniert.“ Das gelte auch für den Stau: „Solche unproduktiven Situa- tionen können durch Podcasts mit Sinn und Inspiration aufgeladen werden.“ Keine Frage, dass Podcasts auch für die Werbung immer interessanter werden. 80 Prozent der Hörer akzeptieren Um- fragen zufolge gesprochene Werbung im Podcast. In den USA hat sich zudem der Trend der Branded Podcasts schon eta­ bliert. Foto: iStockphoto PROFILE 1–2/2021 39

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