Profile 1-2023

dem propagierten Schönheitsideal entspreche. Trotzdem dächten viele, schlank und dünn, das sei der Normalzustand. WO SICH DIE GESELLSCHAFTLICHE DIVERSITÄT ZEIGEN MUSS In den vergangenen Jahren hat sich allerdings viel getan: In den Kampagnen und auf den Laufstegen gibt es mehr Diversität. Vielen Unternehmen aus der Beauty- und Fashionbranche ist das ein wichtiges Anliegen. „Auf den Laufstegen werden die Models diverser (...). In Filmen sieht man häufiger Charaktere, die der gesellschaftlichen Diversität angepasst sind, Modefirmen erweitern ihr Sortiment“, erklärt Carola Niemann. Aber es sei noch viel Luft nach oben und es brauche nach wie vor Menschen wie die im Buch Porträtierten, die mit viel Mut und ihrem unermüdlichen Engagement dazu beitrügen, „dass sich Sehgewohnheiten ändern und die Diversität der Gesellschaft endlich auch stärker in den Medien sichtbar wird.“ Verena Prechtl, einer der Protagonist*innen im Buch, ist Bloggerin, Influencerin und Stil-Expertin. Mit ihrer positiven Ausstrahlung und lockeren Art macht sie vielen anderen Frauen Mut und beweist, dass Schönheit und Geschmack keine Frage der Kleidergröße sind. 2013 gründete sie mit ihrer besten Freundin Sophia Thorer den Fashion-Blog „The Skinny And The Curvy One“. Sie erzählt: „Als wir vor acht Jahren starteten, gab es zwar jede Menge Modeblogs, aber keinen, der kleine Größen mit Plus Size verband. Und wie der Titel vermuten lässt, haben wir sehr unterschiedliche Figuren. Aber genau das spiegelt die Realität: Es gibt nicht nur dick oder dünn, nicht nur das eine Schönheitsideal. Da setzen wir an: Wir wollen anderen Frauen zeigen, dass sie sich in jeder Größe schön anziehen können. Egal, ob in Größe 36 oder 50. Auch mit meiner Figur kann man Modetrends mitmachen.“ WELCHE ROLLE KLISCHEES IN DER DISKUSSION SPIELEN Schauspieler Daniel Zillmann ist der einzige Mann in dem Buch. Die Autorinnen wollten von ihm wissen, ob die gängigen Schönheitsstandards auch für Männer gelten. Seine Antwort: „Männer haben es insofern leichter, weil Dicksein bei ihnen positiver bewertet wird. Als Mann kannst du groß und dick sein, und giltst bei vielen immer noch als männlich und sexy. Und wenn nicht sexy, dann zumindest als stark. Als einer, der beschützen kann. Sogar der weit verbreitete Männerbauch wird oft noch als süß und knuddelig angesehen. Ich möchte nicht wissen, was sich Frauen anhören müssten, wenn sie so ungeniert ihre Plauze in der Öffentlichkeit vor sich hertragen würde, wie das manche Männer tun.“ Trotzdem ging es Zillmann mit seinem Gewicht bzw. der Erwartungshaltung anderer Menschen nicht besser: „Mit dem männlich-starken Image habe ich mich lange gar nicht wohlgefühlt. Das ist mir zu eindimensional. Ich hätte mir gewünscht, dass auch meine Zerbrechlichkeit und meine zarte Seele gesehen werden. Seiten, die ich ebenso in mir habe. Was mich noch mehr stört: Als Mann ist man oft der lustige Dicke. Nicht nur in meinen Rollen, auch privat. Auf Partys wird von mir erwartet, dass ich für Stimmung sorge und die Jokes mache. Das ist oft anstrengend. Ich bin zwar ein sehr kommunikativer Mensch, habe aber auch gern mal meine Ruhe.“ Genau deshalb braucht es laut Paula Lambert, Bestsellerautorin und Beziehungsratgeberin, die immer sehr offen und locker über Sex, Liebe und Partnerschaft spricht, Vorbilder mit Kurven: „Ich erinnere mich noch, als vor zehn Jahren die Fernsehserie Girls startete. Die Hauptdarstellerin Lena Dunham war rundlich und nach gängigen Maßstäben keine Schönheit. Aber wir Zuschauerinnen waren total erleichtert, weil wir endlich mal einen Körper zu sehen bekamen, wie er in der Natur häufiger vorkommt und der unserem eigenen nicht unähnlich ist.“ Auch sie beobachtet, dass Frauen häufig an sich herummeckern: „Wir neigen dazu, uns zu vergleichen, und das tun wir eher mit dem Normschönen. In Filmen, in der Werbung und in Frauenmagazinen sehen wir überwiegend sehr schlanke Körper. Weil die wenigsten aber tatsächlich so perfekt aussehen, sind wir ständig unzufrieden, fühlen uns schlecht und nicht gut genug.“ Body Positivity hält die Beziehungsratgeberin daher für immens wichtig: „Ich finde die Bewegung super, weil sie uns bewusst macht, dass Menschen nicht in der Fabrik hergestellt werden, sondern dass die bunt zusammengewürfelte Genmixtur zu den interessantesten, wildesten und herrlichsten Kombinationen führt.“ „The Curvy Way Of Life“ tut das – oder, wie Autorin Carola Niemann schreibt: „Mit diesem Buch wollen auch wir dazu beitragen, dass endlich alle Menschen gesehen, verstanden und repräsentiert werden, völlig egal, wie sie aussehen und in welchem Körper sie stecken. Egal, ob klein oder groß, dick oder dünn. Damit das Selbstverständliche endlich auch wirklich selbstverständlich wird.“ Silke Bruns von Carola Niemann und Christine Mortag, 216 Seiten, erschienen imVerlag Knesebeck, 28 Euro. The Curvy Way Of Life. Lebe deine Freiheit und sei du selbst 35 PROFILE 1/2023

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