Profile 3-2021

W eltweit leiden die Men- schen derzeit unter ei- nem Mangel an Selbst- liebe: Jeder zweite Teilnehmer einer Stu- die des Kosmetikunternehmens The Bo- dy Shop unter 35 Jahren empfindet mehr Selbstzweifel als Selbstliebe, 60 Prozent wünschen sich, sie würden sich selbst mehr respektieren. Warum nur ist es heute immer noch so schwer, zu sich selbst zu stehen, sich selbst anzunehmen – ja, sich selbst zu lieben? Zunächst einmal fremdeln viele Men- schen mit dem Begriff „Selbstliebe“. Selbstachtung, Selbstvertrauen oder Selbstwert – das sind Vokabeln, die uns viel näher und vertrauter sind. Eigen- schaften, die man gemeinhin in VHS- Kursen oder teuren Coaching-Semina- ren trainieren und im Ergebnis sogar messen kann – in Form von beruflichem Aufstieg oder gesellschaftlicher Anerken- nung. Selbstliebe aber „bezeichnet die allumfassende Annahme seiner selbst in Form einer uneingeschränkten Liebe zu sich selbst“, heißt es in der Online-Enzy- klopädie Wikipedia. Damit grenzt sich die Selbstliebe auch von dem herrschenden Trend der Body Positivity ab, in dem es allein um die An- nahme des Körpers geht. Keine Frage: Wer mit seinem Körper nicht zufrieden ist, ist auch mit sich selbst nicht zufrie- den, wird sich selbst also auch nicht un- eingeschränkt lieben können. Doch der Begriff der Selbstliebe ist umfassender. Er betrachtet das Innen und das Außen. Selbstliebe müssen wir so in uns und mit uns selbst finden. Die gute Nachricht: Das heißt nicht, dass es dafür keine Hil- festellungen gibt – im Gegenteil! SOZIALE NETZWERKE ERSCHWEREN SELBSTLIEBE Doch kommen wir zurück zu dem Nähr- boden von Selbstzweifeln, die eine gesun- de Selbstliebe – wir sprechen hier natür- lich nicht von Narzissmus – erschweren. Experten wissen, dass die sozialen Netz- werke einen großen Anteil daran haben, dass Menschen immer unzufriedener mit sich werden. Täglich, stündlich und mi- nütlich prasseln auf Insta & Co. Szenen, Foto und Videos auf uns ein, die uns eine perfekte und gemeinhin erstrebenswerte Welt vorführen. Das gilt nicht nur bei Prominenten, Stars, Sternchen oder In- fluencern. Auch die Posts und Storys vie- ler Freunde und Bekannte quellen über vor Aktivitäten, für die man selbst gerade keine Zeit oder keine Puste hat. Da postet der eine beinahe täglich Mo- mentaufnahmen von Wanderungen – Hashtags: wanderliebe, naturpur oder gar feelgood – und man fragt sich: Wo- her nimmt er die Zeit? Die andere schickt Impressionen von ihrem Monat Auszeit auf einer Kanareninsel – und man grübelt: Wie kann sie sich das leis- ten? Und wenn man dann noch ständig mit Fotos aus blühenden Gärten – #summervibes – und Bildern perfekter Wohnsettings – #meinfröhlicheszuhause Fotos: iStockphoto PROFILE 3/2021 37

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