Profile 5-2022

BESSERES „ICH“ IM WEB Die Personen mussten physische und demografische sowie psychologische Attribute angeben, und zwar einmal für ihr tatsächliches Selbstbild (also wie sie sich tatsächlich einschätzten), für ihr ideales Selbstbild (wie sie gerne wären) und für den Online- Avatar (über den sie sich virtuell darstellen möchten). Die Hauptfrage, der die Forschenden nachgingen, war: Gestaltet man den Avatar eher so, wie man wirklich ist – oder eher so, wie man gerne wäre? Es zeigte sich, dass bei den meisten Internetnutzer*innen Körpergröße, Körpergewicht, Alter und Geschlecht zwischen tatsächlichem Selbst, idealisiertem Selbst und Avatar übereinstimmten. „Es gab in den verschiedenen Handlungskontexten nur eine geringe Tendenz, sich als Avatar anders darzustellen als man tatsächlich ist, oder als man gerne wäre“, so Kaspar, der die Studie leitete. ONLINE SIND WIR GLEICHER Bei den psychologischen Eigenschaften gab es hingegen eine deutliche Neigung, dem Avatar idealisierte Attribute zuzuweisen. Personen gaben sich online als extrovertierter, sozial verträglicher, gewissenhafter und weniger neurotisch aus, als sie sich tatsächlich einschätzten. Zudem zeigte sich im Hinblick auf die zugeschriebenen psychologischen Charakteristika, dass die tatsächliche Unterschiedlichkeit zwischen den Personen größer ist, als die Unterschiedlichkeit, die zwischen ihren Avataren zu beobachten ist. Das bedeutet, dass die Menschen zumeist nicht die volle Bandbreite möglicher Avatargestaltungen ausnutzen. Vielmehr scheint es eine Orientierung an sozialen Normen zu geben, weshalb sich die Avatare ähnlicher sind als die Personen im realen Leben. Jung und schön? Tolerant und zuverlässig? Das Internet ermöglicht es den Menschen, sich mit Eigenschaften zu präsentieren, die nicht mit der Realität übereinstimmen. Eine Forschungsgruppe um den Kölner Psychologen Professor Dr. Dr. Kai Kaspar stellte sich die Frage, ob und in welchen Handlungskontexten Menschen zu einer idealisierten Selbstdarstellung neigen. Für die vorliegende Studie wurden 568 Personen in einem Online-Experiment zufällig einem von sechs Online-Handlungskontexten zugewiesen: Online-Dating Plattform, kompetitives Online-Gaming, kooperatives Online-Gaming, Social Network mit Freunden, Social Network mit Fremden, Social Network mit Job-Kontakten. Forschende der Kölner Sozial- und Medienpsychologie haben gezeigt, in welchen OnlineKontexten Menschen zu einer idealisierten Selbstdarstellung neigen. Gerade bei psychologischen Eigenschaften gibt es danach eine deutliche Neigung, dem eigenen virtuellen Abbild idealisierte Attribute zuzuweisen. leben TRENDS 38 PROFILE 5/2022

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