Profile 6-2022

PROFILE: „Die Zeit für Klassiker ist vorbei“, haben Sie Anfang des Jahres in einem Interview mit der Welt gesagt. Dabei hat Mäurer & Wirtz selbst ja Klassiker im Portfolio. Wie sehen, „lesen“ und bewerten Sie den Duftmarkt im Allgemeinen? Stephan Kemen: Ich muss gerade schmunzeln, weil dieses Statement für Furore gesorgt hat. Mein Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Meine Kernaussage war, dass es in der heutigen Zeit immer schwieriger wird, neue Düfte einzuführen, die es langfristig schaffen, sich als Klassiker zu etablieren und im Markt zu halten. Das Duftangebot aus Endkonsumentensicht ist heutzutage sehr fragmentiert, fast schon überladen. Und dennoch schafft es dann doch die ein oder andere Marke sich nachhaltig zu etablieren. Unsere Klassiker sind nach wie vor enorm wichtig für uns. Sie sind sozusagen unser Fundament und erlauben es uns, in Zukunftsprojekte sowie neue mutige Ideen zu investieren. Unsere Aufgabe ist es also immer wieder die richtige Balance zwischen der Pflege der Klassiker und zukunftsweisenden Investitionen zu finden. Bis jetzt gelingt uns das in der Tat sehr gut. Vor diesem Hintergrund setzte Mäurer & Wirtz auf Diversifizierung. Wie sieht Ihre Strategie konkret aus? Unsere Kernkompetenzen sind Düfte und alle duftnahen Kategorien. Unser Ziel wird es nicht sein, in für uns gänzlich neue Kategorien wie beispielsweise Color Cosmetic vorzudringen. Jedoch bietet der globale Duftmarkt sehr viele, von uns noch nicht ausgeschöpfte Potenziale und Möglichkeiten – seien es andere Märkte, andere Distributionskanäle, andere Markenkonzepte mit unterschiedlichen Preispunkten etc. Und hier setzt unsere Strategie der Diversifizierung an. Unser Ziel ist es, global möglichst viele Duftbedürfnisse der Endkonsument*innen bedienen zu können und dementsprechend unsere Duftangebote im Portfolio zu erweitern. Das fängt für uns bei dem Thema Internationalisierung, also der Erschließung neuer Märkte, an, geht über das Thema E-Commerce bis hin zu neuen Marken in differenzierenden Distributionskanälen sowie bis dato noch unbesetzten Preispunkten. Welche Preissegmente wollen Sie bedienen? Mit unserer Marke Les Destinations besetzen wir erstmalig das wachsende Segment der Nische. Hoher Preispunkt, kleine und exklusive Distribution weltweit. Dieses Segment werden wir weiter ausbauen. Im Gegensatz dazu haben wir mit Route 66 eine Marke, die extrem breit distribuiert ist und uns global durch Konzept und Preiseinstiegspreispunkt die Kanäle Groceries und Hypermarkets öffnet. Diese Diversifizierung hilft uns auch bei demThema Internationalisierung. Für Märkte wie Middle East oder China braucht man selektive Konzepte. Für Osteuropa sind unsere starken Lifestyle Brands relevant. Daneben bedient unsere neue Marke hej:pure gänzlich neue Kundenbedürfnisse. Im Vertrieb gibt es einen ganz starken Trend der Kosmetikunternehmen zum DTC-Modell, dem unternehmens- oder markeneigenen Webshop. Welche Vertriebskanäle haben Sie aktuell auf dem Zettel? Eines ist mir bedeutsam zu betonen: Der stationäre Handel ist für uns sehr wichtig – jetzt und auch zukünftig. Gleichzeitig haben wir gerade im Jahr 2022 intensiv am digitalen Auftritt unserer Marken gearbeitet und neue Webshops für Tabac, 4711 und Les Destinations gelauncht. Als Blue Print für die drei Shops haben wir unsere Erfahrungen mit der D2C-Brand Orodion einfließen lassen. Unsere erste Direct-to-Consumer-Brand Orodion war ja unser Einstieg ins D2C-Geschäft und unser Proof of concept. All diese Beispiele und neuen Initiativen geben uns mehr Möglichkeiten, auf aktuelle Gegebenheiten zu reagieren. Für das dritte Quartal 2023 haben wir noch etwas Spannendes in der Pipeline, das ich heute aber noch nicht verraten darf. Es handelt sich ebenso um einen neuen Vertriebskanal. Wie entwickelt sich denn die Fragrance Brand Orodion, die Sie gerade schon angesprochen haben? Ganz genau, wir haben im Dezember letzten Jahres gemeinsam mit einem großen Fashion-Influencer die Duftmarke Orodion kreiert und gelauncht. Der Erfolg war überwältigend: Sein erster Duft, den wir exklusiv über einen limitierten „ProduktDrop“ verkauft haben, war innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Vor kurzem ist das sommerliche Pendant namens Orodion Blanc erschienen. Auch dieser luxuriöse Männerduft war ausschließlich über die produkteigene Website erhältlich und innerhalb eines Tages vergriffen. Wir reden von sehr hochwertigen Düften, die einen Preispunkt von 100 Euro für 50 Milliliter Eau de Parfum besetzen. Zum einen zahlt dieses Projekt zu 100 Prozent auf unsere Diversifizierungs-Strategie ein und zum anderen gibt es für mich eine goldene Regel: Neue Wege sollten am besten mit den Personen bestritten werden, die diesen Weg bzw. Kanal bePROFILE 6/2022 23

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