GEWERKSCHAFT BUNDESBESCHÄFTIGTE MAGAZIN mit dbb seiten 6 Juni 2025 • 75. Jahrgang Koalitionsvertrag Veränderungen aus Sicht des BAMF
< Editorial Rentenversicherung. Im Jahr 2023 beispielsweise mit 113 Milliarden Euro. Beamte erhalten dagegen eine Pension, die auf einem anderen rechtlichen Status fußt und aus Steuergeldern finanziert wird. Würde man den Gedanken der Bundesarbeitsministerin also folgen, so wäre die Konsequenz, dass die Dienstherren den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung zusätzlich zu tragen hätten. Gleichzeitig müssten die Bruttobezüge der Beamtinnen und Beamten mit Blick auf eine Beitragspflicht angehoben werden, denn ansonsten würde eine solche Entscheidung die Nettobezüge deutlich reduzieren. Woher das Geld für eine solche Idee kommen sollte, das lässt die Bundesarbeitsministerin – wie die Unterstützer einer solchen Idee – offen. Es gäbe aber noch weitere – auch langfristige – Folgen, die offensichtlich nicht bedacht und durch die Experten zu Recht deutlich kritisiert werden: Wer einzahlt, hat auch Anspruch auf Leistungen! Also stünden einer kurzfristigen Erhöhung der Beitragszahlungen insbesondere höhere Kosten in der Zukunft gegenüber. Das haben auch die Rentenversicherungen erkannt und lehnen diesen Vorschlag aus diesem Grund zu Recht als untauglich ab. Hier zeigt sich also erneut, dass nicht zu Ende gedacht wird und mithilfe populistischer Einzelstatements versucht wird, politisch in der eigenen Partei zu punkten. Gemeinsam mit unserem Dachverband dbb erwarten wir von einer Bundesregierung verantwortungsvolles, ordentliches Handwerk und zielführendes Handeln statt der Erzeugung medialer Aufmerksamkeit um jeden Preis! Erste Maßnahmen der neuen Bundesregierung betreffen auch die Themen Asyl und Migration. Die angeordnete Intensivierung der Grenzkontrollen, die die Polizeien zusätzlich belasten, wurde bereits vollzogen. Weitere geplante Änderungen am einschlägigen Regelwerk für die Bereiche sind in Vorbereitung oder stehen unter Vorbehalt europäischer Einigung. Das betrifft die Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Eine erste Einschätzung, inwieweit sich die Arbeit dort verändern könnte, bietet Ihnen der Leitartikel dieser Ausgabe. Danke möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich der pensionierten Kollegin sagen, die Ihnen in dieser Ausgabe den Nutzen einer Mitgliedschaft nach dem aktiven Dienst aus eigenem Erleben schildert. Zur Mitgliedschaft nach der Pensionierung beziehungsweise Verrentung finden Sie übrigens auch Informationen auf unserer Homepage www.vbob.de. Gemeinsam mit dem dbb werden wir das Thema Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten mit dem BMI in Kürze angehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es zeigt sich immer wieder, wie wichtig Gewerkschaften für die Interessenvertretung der Beschäftigten gegenüber Politik und Verwaltung sind. Fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen bitte auch weiterhin, ob Interesse an einer Mitgliedschaft und Mitarbeit in unserer Solidargemeinschaft vbob besteht. Nähe ist unsere Stärke! Mit besten Grüßen Ihr Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die neue Bundesregierung hat die Arbeit aufgenommen, der neue Bundestag hat sich konstituiert, Ausschüsse gebildet, Ausschussvorsitze verteilt und erste Regierungsbefragungen durchgeführt. Das Kabinett hat die ersten 25 Beauftragtenfunktionen abgeschafft. So weit alles gut? Nicht mit der neuen Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas, SPD. Sie hat gleich nach Aufnahme ihrer Arbeit einen Vorschlag zur Lösung der Rentenproblematik aus ihrer Sicht in die Medien gebracht. Beamtinnen, Beamte und Selbstständige sollen in die Rentenversicherung einzahlen und damit helfen, die dortigen Finanzierungsprobleme zu beseitigen. Damit bewegt sie sich sicher im sozialdemokratischen Parteiprogramm, gleichwohl wird ein solches – im Übrigen nicht neues und leider jährlich wiederkehrendes – Aufsagen durch Wiederholung nicht besser. Wir als vbob lehnen diesen Vorschlag ab. Wer sich mit den Mechanismen einer Regierungskoalition beschäftigt, konnte die erfolgten Reaktionen erwarten: Der Koalitionspartner verweist auf das Fehlen des Projektes im Koalitionsvertrag und bittet um Konzentration bei der Umsetzung der dort vereinbarten Projekte. Inzwischen rechnen allerdings auch Expertinnen und Experten sowie die Rentenversicherer selbst regelmäßig vor, dass es sich bei diesem Vorhaben ausdrücklich nicht um eine Lösung für das – auch aus unserer Sicht vorhandene – strukturelle Rentenproblem handelt. Die wesentlichen Argumente sind bekannt: Mit dem mantraartig vorgetragenen Thema würde das eigenständige System der Besoldung und Versorgung abgeschafft. Wir stehen hier gemeinsam mit unserem Dachverband dbb beamtenbund und tarifunion gegen diese Absicht der Bundesarbeitsministerin. Bislang existieren für die Altersabsicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Beamtinnen und Beamten bei Bund, Ländern und Kommunen zwei eigenständige Systeme. So wird die gesetzliche Rente in erster Linie durch Beiträge von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite finanziert, und zwar je zur Hälfte. Der Staat beteiligt sich bereits seit Langem in Form von Bundeszuschüssen an der Finanzierung der chronisch unterfinanzierten Frank Gehlen Bundesvorsitzender © Reimo Schaaf 3 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
< Inhalt Koalitionsvertrag Veränderungen aus Sicht des BAMF Die neue Bundesregierung hat sich gebildet, der Kanzler ist gewählt und die Ministerien sind besetzt. Nun gilt es, sowohl den Organisationserlass und die damit einhergehende Umgestaltung als auch die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Inhalte umzusetzen. Doch was verändert sich durch die Vorhaben der Bundesregierung und was bedeutet das für die nachgeordneten Behörden? Ein Blick durch die „BAMF-Brille“. < Was sagt der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zum Thema Asyl, Migration und Integration? Die Kernaussage ist wohl, dass Deutschland ein weltoffenes Land ist und bleibt und zu seiner humanitären Verantwortung steht. Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet. Migration soll geordnet und Integration gefördert werden, indem die Staatsgrenzen geschützt und die Bedingungen für gelingende Integration gestärkt werden. Zudem wird eine Verbesserung der legalen Wege der geordneten Zuwanderung in den Arbeitsmarkt angestrebt. Etwas konkreter heißt das: >Migration ordnen Die Bundesregierung will einen anderen, konsequenteren Kurs in der Migrationspolitik einschlagen. „Die Anreize, in das Sozialsystem einzuwandern, müssen deutlich reduziert werden“ heißt es im Ko < dbb <Der dbb trauert um Waldemar Dombrowski 13 <Ulrich Silberbach tritt als dbb Bundesvorsitzender zurück 13 <15. Forum Personalvertretungsrecht: Beschäftigte und Personalvertretungen im Umbruch 14 <Verkehr: Strategien gegen den Sanierungsstau 18 <Prof. Dr. Christian Böttger, HTW Berlin: Es fehlt eine systematische Fehleranalyse 22 <Christian Bernreiter, Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz: Der Nachholbedarf bei der deutschen Infrastruktur ist enorm 24 <Digitale Bildung: Was packt der Digitalpakt? 28 <19. Frauenpolitische Fachtagung: Frauenrechte stärken und Demokratie bewahren 30 <Gunther Krichbaum, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt: Wir müssen in Brüssel Farbe bekennen 33 <Verfassungsschutz: Was die AfD-Einstufung für Beamte bedeutet 42 < Impressum Herausgeber des vbob Magazins: Bundesvorstand vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte. Dreizehnmorgenweg 36, 53175 Bonn. Telefon: 0228.9579653. Telefax: 0228.9579654. E-Mail: vbob@ vbob.de. Internet: www.vbob.de. Hauptstadtbüro Berlin. Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.40816900. Telefax: 030.40816930. E-Mail: vbob.berlin@dbb.de. Bundesvorsitzender: Frank Gehlen. Redaktion: Anne-Katrin Hoffmann, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.40816900. Telefax: 030.40816930. Titelfoto: © gguy – stock.adobe.com. Herausgeber der dbb Seiten: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Bund der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und des privaten Dienstleistungssektors – Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5598. Internet: www.dbb.de. Leitender Redakteur: Jan Brenner (br). Bezugsbedingungen: Das vbob Magazin erscheint zehnmal im Jahr und wird allen vbob Mitgliedern im Rahmen der Mitgliedschaft gegen Beitrag geliefert. Nichtmitglieder bestellen in Textform beim DBB Verlag. Inlandsbezugspreis: Jahresabonnement 52,50 Euro zzgl. 9,30 Euro Versandkosten, inkl. MwSt.; Mindestlaufzeit 1 Jahr. Einzelheft 6,00 Euro zzgl. 2,00 Euro Versandkosten, inkl. MwSt. Abonnementkündigungen müssen bis zum 1. Dezember in Textform beim DBB Verlag eingegangen sein, ansonsten verlängert sich der Bezug um ein weiteres Kalenderjahr. Verlag: DBB Verlag GmbH. Internet: www.dbbverlag.de. E-Mail: kontakt@dbbverlag.de. Verlagsort und Bestellanschrift: Friedrichstraße 165, 10117 Berlin. Telefon: 030.7261917-0. Telefax: 030.7261917-40. Layout: Dominik Allartz. Anzeigen: DBB Verlag GmbH, Mediacenter, Dechenstraße 15 a, 40878 Ratingen. Telefon: 02102.74023-0. E-Mail: mediacenter@dbbverlag.de. Anzeigenleitung: Marion Clausen, Telefon: 030.7261917-32, E-Mail: marion.clausen@dbbverlag.de. Anzeigendisposition: Britta Urbanski, Telefon: 02102.74023-712. Preisliste 66 (dbb magazin) und Preisliste 45 (vbob Magazin), gültig ab 1.1.2025. Druckauflage dbb magazin: 550799 (IVW 1/2025). Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinen. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern. ISSN 1437-997X <Koalitionsvertrag: Veränderungen aus Sicht des BAMF 4 <Kommentierte Pressestimmen 8 <Mitgliedschaft: Warum Mitglied bleiben? 10 <vbob Tagung: Nah dran an unseren Mitgliedern 12 4 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
alitionsvertrag (S. 92, Rdnr. 2963). Ziel sei es, die „Begrenzung“ der Migration zusätzlich zur „Steuerung“ wieder ausdrücklich in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. Als konkrete Maßnahmen werden hier neben der Zurückweisung an den Staatsgrenzen unter anderem die Beendigung der freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme (zum Beispiel Afghanistan), die befristete Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten sowie der verstärkte Abschluss von Migrationsabkommen mit den relevanten Herkunftsstaaten zur Rücknahmebereitschaft aufgeführt. Auch soll die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitert werden. Ein Fokus steht wohl auf der Umsetzung der GEAS-Reform (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) und der Ausweisung vor allem von Personen, die nicht unerheblich straffällig werden. Auch die Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern soll staatlich stärker durchgesetzt und die Herkunftsländer in die Pflicht genommen werden. >Integration fördern Integration „muss weiterhin gefördert, aber auch intensiver als bisher eingefordert werden“. So lautet der Koalitionsvertrag (S. 95, Rdnr. 3054 f.). Die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte soll fortgeführt und auskömmlich finanziert werden. Die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Integration wird verbessert werden. Konkret will man mehr in Integration investieren, Integrationskurse fortsetzen, die Sprach-Kitas wieder einführen, das Startchancen-Programm fortsetzen und auf Kitas ausweiten. Es ist von einer verpflichtenden Integrationsvereinbarung die Rede, die künftig Rechte und Pflichten definieren soll. Die Integrationsvereinbarungen erwerbsloser Schutzberechtigter sollen konkrete Schritte zur Arbeitsmarktintegration (insbesondere Aufnahme einer integrativen Tätigkeit oder Ausbildung) enthalten. >Zuwanderung zum Arbeitsmarkt Deutschland brauche qualifizierte Einwanderung. Die Demografie stelle den Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen. Gemeinsam mit den Ländern, Kommunen und den Sozialpartnern werden sachgerechte Instrumente zur Unterstützung geschaffen. Hier sollen vor allem eine konsequente Digitalisierung sowie Zentralisierung der Prozesse unter Einbindung der Arbeitgeber bürokratische Hürden abbauen. Eine weitere zentrale Rolle spiele eine einheitliche und beschleunigte Anerkennung der Berufsqualifikationen, also von Berufs- und Studienabschlüssen innerhalb von acht Wochen. Dafür werde eine digitale Agentur (Work-and-Stay-Agentur) für Fachkräfteeinwanderung mit einer zentralen IT-Plattform als einheitliche Ansprechstelle für ausländische Fachkräfte geschaffen (vgl. S. 14, Rdnr. 421 ff.). Eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe von Bund und Ländern wird zeitnah Maßnahmen zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren und Prozesse entwickeln und vorschlagen, wie die Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen (ZAB) in Struktur und Organisation angepasst und gegebenenfalls unterstützt wird. [Quelle: Koalitionsvertrag https://www.bundesregierung. © Achim Wagner/stock.adobe.com © U. J. Alexander/stock.adobe.com 5 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte
de/breg-de/aktuelles/koaliti onsvertrag-2025-2340970] < Was bedeutet die Umgestaltung der Ministerien – vor allem des BMI – für das BAMF? Im Organisationserlass wird die Geschäftsverteilung der Bundesregierung geregelt sowie die Zuständigkeiten der Ministerien festgelegt. In dem Organisationserlass vom 6. Mai 2025 wird zunächst das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) genannt, dem damit ein hohes Maß an Bedeutung zukommt. Darauffolgend geht es um die Umbenennungen. Einige Ministerien erhalten – aufgrund ihres neuen Zuschnitts durch veränderte Zuständigkeiten – andere Bezeichnungen. So erhält das Bundesministerium des Innern und für Heimat die Bezeichnung Bundesministerium des Innern (BMI). Daraus lässt sich bereits ableiten, dass einige Teile (Heimat) aus der Zuständigkeit des BMI in andere Ministerien übergehen. Zudem muss das BMI die beiden Abteilungen digitale Verwaltung und digitale Gesellschaft sowie die allgemeine IT-Beschaffung, „die Steuerung der IT des Bundes einschließlich der zugehörigen Infrastruktur und der darauf begrenzten zugehörigen IT-Sicherheit“ und sogar die Cybersicherheit in der Bundesverwaltung an das BMDS abgeben. Auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat die ministerielle Umstrukturierung des BMI keine direkten Auswirkungen. Das BAMF bleibt nach wie vor nachgeordnete Behörde und somit im Geschäftsbereich des BMI enthalten. [Quelle: Organisationserlass https://www.recht.bund.de/eli/ bund/bgbl-1/2025/131] < Was hat der neue Bundesminister des Innern vor? Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die illegale Migration sowohl auf EU-Ebene als auch national bekämpfen. In der Regierungsbefragung am Mittwoch, 21. März 2025, sagte der Minister, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) sollte möglichst schnell in Kraft treten, aber auch nachgeschärft, verbessert und optimiert werden. Dobrindt: „Wir werden den Familiennachzug für subsidiär Geschützte umgehend aussetzen, wir werden die sogenannte Expresseinbürgerung abschaffen, wir werden dafür sorgen, dass die freiwilligen Aufnahmeprogramme so weit wie möglich auch beendet werden, und werden umgehend nach Afghanistan und Syrien Straftäter auch abschieben.“ Dazu gehöre, dass an den Grenzen verstärkt kontrolliert werde und auch bei Asylgesuchen stärker zurückgewiesen werde. Der Minister dankte in diesem Zusammenhang den Bundespolizisten für ihren Einsatz. [Quelle: Deutscher Bundestag https://www.bundestag.de/ dokumente/textarchiv/2025/ kw21-de-regierungsbefragung- 1067380] < Welche Auswirkungen haben die Vorhaben der neuen Bundesregierung auf das BAMF? Eine nähere Betrachtung des Koalitionsvertrags zeigt, dass das BAMF nicht nur beim Themenbereich Asyl, Migration und Integration von Veränderungen betroffen ist, sondern grob zusammengefasst auch in den Bereichen Rückkehr, IT und Internationales. Grundsätzlich bleiben die Ausführungen jedoch sehr allgemein gehalten. >Migration und Integration Bezüglich der Migrations- und Integrationspolitik wird das BAMF im Koalitionsvertrag klar als zentrale Institution bestätigt und in seiner Rolle bestärkt. So übernimmt es weiterhin die Koordination und Durchführung von Integrationskursen, Sprachförderung, Anerkennungsverfahren und Beratungsstrukturen. Die bereits erwähnte verpflichtende Integrationsvereinbarung 6 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
könnte als ein neues Instrument ausgestaltet werden. Offen bleibt an dieser Stelle aber, inwieweit das BAMF an der Umsetzung der Integrationsvereinbarung beteiligt sein wird. Insgesamt hängt vieles von der Finanzierung ab. Alle Integrationsprojekte des BAMF sowie das Gesamtprogramm Sprache (wie Integrations- und Berufssprachkurse) benötigen eine stabile und ausreichende Finanzierung, damit die Angebote bedarfsgerecht und in hoher Qualität umgesetzt werden können. Um diese Aufgabenerfüllung sicherzustellen, müssen die fehlenden (Haushalts-)Mittel im Bereich Integrationskurs für das Jahr 2025 schnellstmöglich zugesichert werden. >Asyl Bezüglich der Begrenzung und Steuerung der irregulären Migration ist das BAMF voraussichtlich nur indirekt, insbesondere im Hinblick auf die Zugangszahlen im Asylverfahren, betroffen. Die Begrenzung und Steuerung im Allgemeinen lässt sich am ehesten über die Rückkehrpolitik umsetzen. Teil der im Koalitionsvertrag genannten „Rückkehroffensive“ soll die beim Bund zentralisierte Zuständigkeit für die Durchführung aller Überstellungen nach der Dublin-III- beziehungsweise Asyl- und Migrationsmanagementverordnung sein. Ansonsten bleibt der Koalitionsvertrag sehr vage. >Rückkehr Bei der Rückkehr wird das BAMF wohl weiterhin eine zentrale Rolle in der Umsetzung der geplanten „Rückführungsoffensive“ einnehmen. Die vorgesehenen Maßnahmen wie zum Beispiel die Eröffnung von Bundesausreisezentren, die Erhöhung von Abschiebehaftkapazitäten und die konsequente Abschiebung von Straftätern sind jedoch stark von der Kooperationsbereitschaft der Länder abhängig, gerade weil dem Bund hier eine stärkere Rolle zukommen soll. Jedoch bleibt es weiterhin dabei, dass das BAMF keine Vollzugsbehörde ist und sein wird. >IT Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung formuliert ambitionierte Ziele zur Beschleunigung von Prozessen, zum Abbau bürokratischer Hürden und zur Stärkung der digitalen Souveränität Deutschlands. Die aktuellen Herausforderungen im Bereich Migration und Integration erfordern eine leistungsfähige und zukunftsorientierte digitale Ausrichtung des BAMF. Die Etablierung einer modernen IT-Architektur sowie ein medienbruchfreier, behördenübergreifender und automatisierter Datenaustausch (Interoperabilität) sind dafür unerlässlich. Dies gilt es nun mit Nachdruck und entsprechenden Ressourcen konsequent umzusetzen. >Internationales Eine der größten Herausforderungen in diesem Bereich ist wohl die GEAS-Reform und dessen Umsetzung in nationales Recht. Ein weiterer wichtiger internationaler Bereich ist die Projektarbeit. In der Praxis haben sich zielgerichtete und länderspezifische Projektmaßnahmen, die auf einem ganzheitlichen Ansatz basieren, als Erfolg bringend erwiesen. Eine wertvolle Unterstützung der Projektarbeit sind die Verbindungsbeamtinnen und -beamten, die vor Ort dauerhaft präsent sind und dadurch wertvolle Ansprechpersonen für alle beteiligten Akteure (national wie international) darstellen. < Fazit Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD bringt für das BAMF nicht nur veränderte Aufgaben, sondern auch Chancen zur (IT-)Modernisierung. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die zum Teil ambitionierten Ziele in der Praxis umsetzbar sind – und ob das BAMF als zentrale Migrationsbehörde gestärkt aus dem Reformprozess hervorgeht. aj © Andreas Gruhl/stock.adobe.com © PhotoSG/stock.adobe.com 7 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
© Björn Wylezich/stock.adobe.com Kommentierte Pressestimmen Die Debatte um die Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung hat in den letzten Wochen die Medienlandschaft dominiert. Ausgelöst durch Vorschläge von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) wird kontrovers diskutiert, ob ein einheitliches Alterssicherungssystem mehr Gerechtigkeit schaffen und die gesetzliche Rentenkasse stärken könnte. < Was steht im Koalitionsvertrag? Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht, man werde „das Rentenniveau bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031 absichern“. Einen Vorschlag, wie sich dies verwirklichen lassen könnte, hat die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) nun vorgebracht. „Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen“, erklärte die SPD-Politikerin gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. HNA.de, 14. Mai 2025 Die langfristige Finanzierung der Rente bleibt im Koalitionsvertrag vage. „Nur eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, eine hohe Beschäftigungsquote und eine angemessene Lohnentwicklung ermöglichen es, dies dauerhaft zu finanzieren“, heißt es. Dies sei auch für Bärbel Bas entscheidend: „Vor allem brauchen wir eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Je mehr Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, desto mehr Geld hat man für die Rentenkasse.“ zdfheute.de, 10. Mai 2025 Kanzler Friedrich Merz sagte dazu: „Die Kritik stimmt: Wir sind ziemlich unklar und vage geblieben, etwa, was wir mit der Deutschen Rentenversicherung vorhaben.“ Nötige Reformen sollen laut dem CDU-Politiker aber folgen. Tagesschau, 10. Mai 2025 < Stimmen aus dem dbb und aus der Politik Der dbb beamtenbund und tarifunion hat den Vorschlag der neuen Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, zurückgewiesen. „Das löst kein einziges Problem der Rentenversicherung“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Volker Geyer im Deutschlandfunk. Der dbb beamtenbund ist gegen den Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, wonach auch Beamte in die Rentenversicherung einzahlen sollen. Wenn die Beamtinnen und Beamten künftig auch in die Rentenkasse einzahlten, müssten etwa die Bruttobezüge von ihnen um den Rentenbeitrag erhöht werden, sagte Geyer. Das bedeute eine zusätzliche, hohe Belastung für den Bundeshaushalt. Geyer schlug vor, versicherungsfremde Leistungen wie die Mütterrente nicht aus der Rentenkasse, sondern stattdessen aus Steuergeldern zu finanzieren. ZEIT Online, 14. Mai 2025 Der Bundesvorsitzende des dbb, Ulrich Silberbach, rechnet vor, dass der Staat dann den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung zusätzlich tragen müsste und die Bruttobezüge der Beamtinnen und Beamten angehoben werden müssten: „Woher das Geld dafür gerade jetzt kommen soll, sagt Frau Bas nicht.“ Frankfurter Neue Presse, 14. Mai 2025 CSU-Landesgruppenchef Alexander Hofmann: „Die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in die Rente löst weder die Probleme in der Rentenversicherung noch ist das vom Koalitionsvertrag gedeckt. Frau Bas sollte nicht versuchen, der Renten-Kommission alte SPD-Ideen als zukünftiges Ergebnis vorzuschreiben.“ Bild, 10. Mai 2025 Christoph Ahlhaus (55, CDU), Chef des Mittelstandsvereins BVMW, nennt den Bas-Vorschlag „populistischen Unfug“. „Selbstständige brauchen Entlastung, keine Zwangsmitgliedschaft in einer sturmreifen Staatsrente.“ Bild, 10. Mai 2025 Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki (73) lehnt den SPD-Bas-Plan ab: „Das würde ohne eine Änderung des Grundgesetzes gar nicht gehen. Finanzierbar wäre der Renten-Hammer auch nicht.“ Bild, 10. Mai 2025 Sympathie dafür hegt hingegen Sahra Wagenknecht (BSW): „Wir brauchen ein Ren8 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
tensystem, in das alle – auch Politiker, Selbstständige und Beamte – einzahlen.“ Bild, 10. Mai 2025 Die Linke, die in MecklenburgVorpommern zusammen mit der SPD regiert, begrüßt dagegen Bas’ Vorschlag: „Wir fordern seit Langem, dass auch Beamte, Politikerinnen und Politiker sowie Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen“, sagt die rentenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Elke-Annette Schmidt. Ostfriesen-Zeitung, 16. Mai 2025 < Österreich als Vorbild für einen Systemwechsel? Österreich hat vorgemacht, wie ein Systemwechsel gelingen kann. Das Nachbarland führte vor mehr als 20 Jahren schrittweise die Rente für Beamte ein. Ältere Beamte behielten ihre „Ruhegenüsse“ in voller Höhe, Beamte mittleren Alters nur zum Teil, jüngere Beamte zahlten fortan in eine eigene Rentenkasse, aus der bereits laufende Pensionen mitfinanziert werden. Man holte die Staatsdiener jedoch nicht in die bestehende Rentenversicherung, sondern schuf ein Parallelsystem, das der Rentenkasse gleicht. Und welches man mit Betriebsrenten aufbessern sollte. Man kann dies als sozialen Kahlschlag brandmarken. Es wird allerdings nicht funktionieren, die Beamten in Deutschland kurzerhand an die gesetzliche Rentenversicherung weiterzureichen. Die Staatsdiener-Versorgung ist verfassungsrechtlich geschützt. Der Schnelltransfer Richtung Rentenversicherung käme dem Sozialstaat zudem sehr teuer. Der Staat müsste für seine Beamten zusätzlich die Beiträge zur Rentenkasse übernehmen, während er noch jahrzehntelang die laufenden Pensionen stemmen muss. Die Beamten würden zwar mit ihren Beiträgen zunächst die Rentenkasse füllen. Sie würden jedoch auch Ansprüche erwerben, die Rentenversicherung müsste später umso mehr auszahlen. sueddeutsche.de, 13. Mai 2025 Klar ist: Die Alterung der Gesellschaft setzt das Rentensystem unter Druck, weil immer weniger Beschäftigte in die Rentenkasse einzahlen, aber immer mehr und länger daraus Altersbezüge erhalten. Experten fürchten, dass die Versorgung der Boomergeneration die jüngeren Beitragszahler überfordern wird. Spiegel online, 10. Mai 2025 hb 9 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
Mitgliedschaft Warum Mitglied bleiben? Endlich Pensionärin oder Pensionär. Endlich Rentnerin oder Rentner. Endlich nicht mehr tagtäglich zur Arbeit, in die Behörde oder im Homeoffice an den Rechner … Man ist noch fit und will nun endlich die freie Zeit nutzen … Naturgemäß steht das Freizeitvergnügen an erster Stelle – doch ein Sturz, ob beim Skilaufen, Klettern oder Wandern im Hochgebirge, kann fatale Folgen haben. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was der Einsatz eines Rettungshubschraubers kostet? So ist es mir im Februar ergangen: ein komplizierter Unterschenkelbruch am Pitztaler Gletscher in 2 500 m Höhe und mit dem Helikopter ab nach Imst ins Krankenhaus – Kosten 6 660 Euro. Die Beihilfe hält einen Rettungsflug nur bei akuter Lebensgefahr für notwendig und erkannte lediglich die vergleichsweisen Kosten für eine Bergung als beihilfefähig an und erstattete 618 Euro, mit dem Anteil der Krankenversicherung von rund 2 000 Euro verblieben für mich 4 022 Euro als Eigenanteil. Da war ich froh, dass ich Mitglied im vbob bin und dort, wie alle Mitglieder, durch eine Freizeitgruppenunfallversicherung bei der Nürnberger Versicherung versichert bin – sie übernahm den vollen Betrag in Höhe von 4 022 Euro und zahlte zusätzlich ein Krankenhaustagegeld, welches auch für die Dauer der stationären Rehamaßnahme gezahlt wurde. < Fazit Eine Mitgliedschaft im vbob lohnt sich nicht nur für aktiv Beschäftigte, sondern auch und gerade im Ruhestand, wenn eine aktive Freizeitgestaltung möglich wird. Also: Bleiben Sie auch nach dem Eintritt in den Ruhestand vbob Mitglied, um die Vorteile Ihrer Mitgliedschaft weiterhin nutzen zu können! Marlies Wagner © tovovan/stock.adobe.com © Marlies Wagner 10 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
vbob Tagung Nah dran an unseren Mitgliedern Mehr als 30 Schatzmeisterinnen, Schatzmeister und Fachgruppenvorsitzende folgten am 13. und 14. Mai 2025 der Einladung des Bundesvorstandes zur vbob Schatzmeistertagung ins Hotel Oktopus in Siegburg. Die Tagung ist seit Jahrzehnten eine feste Institution und dient dem Austausch der ehrenamtlich tätigen Funktionsträger/innen in den Fachgruppen. Gerade die Schatzmeisterin und der Schatzmeister gehören in der Vereinspraxis des vbob zu den wichtigsten Funktionen. Sie führen die Fachgruppenkasse, wickeln den Zahlungsverkehr ab und erstellen Berichte über die Finanz- und Vermögenslage in den Fachgruppen. Sie sind verantwortlich für die Buchführung, die Mitgliederverwaltung und die Mitgliederbetreuung. Damit „verkörpern“ sie das Motto und das Leitmotiv des vbob vor Ort: „Nähe ist unsere Stärke“. Entsprechend dieser Philosophie tragen sie mit ihrem ehrenamtlichen Engagement einen großen Anteil der gewerkschaftlichen Arbeit in den Behörden. Für diesen erheblichen Beitrag dankte der Bundesvorsitzende Frank Gehlen den Anwesenden und machte noch mal deutlich, dass das Fachgruppenmodell des vbob ohne den ehrenamtlichen Einsatz der Anwesenden nicht denkbar wäre. Er dankte auch Bea Rörig und dem Bundesschatzmeister Dirk Rörig, die diese Tagung vorbereitet haben und einiges an Themen mitgebracht haben. Es folgte ein intensiver Austausch mit dem Bundesvorsitzenden zu den aktuellen gewerkschaftlichen Themen. Gerade die Veränderungen der neuen Regierung in der Bundesverwaltung stellen das Ehrenamt in den Fachgruppen vor erhebliche Herausforderungen. Kurz vor der „ersten“ verdienten Kaffeepause informierte Herr Teschner von der BBBank die Anwesenden über die Vorzüge des Verbandskontos und über die Leistungen für die vbob Mitglieder, die auch immer aktuell über die vbob Homepage abgerufen werden können. Aufgrund der jahrelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit und Partnerschaft stiftete die BBBank einen namhaften Geldbetrag für das abendliche gemütliche Beisammensein der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dafür an dieser Stelle einen herzlichen Dank an unseren Kooperationspartner. Der erste Tag endete mit umfangreichen Hinweisen zu ausgewählten Finanz- und Buchführungsfragen. Es wurde sich ausführlich über die Veränderungsprozesse in der Zusammenarbeit ausgetauscht und es wurden für die Fachgruppenabrechnungen neue und schlankere Prozesse festgelegt. Der zweite „Seminartag“ war dem Austausch zur Mitgliederbetreuung und Mitgliederverwaltung gewidmet. Dabei wurde auch über die Herausforderungen des Datenschutzes gesprochen, die gemeinsam mit dem Ehrenamt „angepackt“ wurden und stetig weiterentwickelt werden. Das oberste Ziel bleibt dabei, die gute und mitgliedernahe Betreuung vor Ort zu gewährleisten. Wir wollen auch in Zukunft nah bei den Beschäftigten und ihren Bedürfnissen sein. Erneut zeigte sich, dass eine solche Tagung die Vernetzung der Fachgruppenvorstandsmitglieder und der Schatzmeister/innen untereinander fördert. Ein herzlicher Dank gilt Beatrix und Dirk Rörig sowie Gabriele Ruppert, der Leiterin der Bundesgeschäftsstelle, für die Vorbereitung und Durchführung der gelungenen Veranstaltung. _ <Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen Schatzmeistertagung © vbob (2) <Linkes Foto: Stephan Teschner, BBBank, während seines Vortrages (stehend) und zusammen mit Dirk Rörig und Frank Gehlen 12 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | Juni 2025
NACHRICHTEN Ulrich Silberbach tritt als dbb Bundesvorsitzender zurück Ulrich Silberbach hat aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt vom Amt des Bundesvorsitzenden des dbb beamtenbund und tarifunion mit Wirkung zum 23. Juni 2025 erklärt. Ulrich Silberbach ist seit 2011 Mitglied der dbb Bundesleitung und seit 2017 Bundesvorsitzender des gewerkschaftlichen Dachverbands. In einem Brief an den dbb Bundesvorstand erklärt Silberbach: „Wir befinden uns in schwierigen politischen Zeiten, bedingt durch die neue Regierungsbildung und die daraus resultierenden Herausforderungen. Dazu bedarf es einer starken dbb Führung. Der dbb muss mit einem handlungsfähigen Bundesvorsitzenden gegenüber der Politik auftreten können. Dazu sehe ich mich leider in der nächsten Zeit nicht in der Lage, sodass ich mein Amt zur Verfügung stelle, um einen Neubeginn zu ermöglichen.“ Die Wahl eines Nachfolgers beziehungsweise einer Nachfolgerin soll am 23. Juni 2025 im Rahmen einer Sitzung des dbb Bundeshauptvorstandes in Berlin stattfinden. Die Bundesleitung hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, Volker Geyer – bisher stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik – für das Amt des dbb Bundesvorsitzenden vorzuschlagen. Sollte Geyer gewählt werden, schlägt die Bundesleitung den stellvertretenden dbb Bundesvorsitzenden Andreas Hemsing als Kandidaten für den Fachvorstand Tarifpolitik vor. Personalie © Andreas Pein Der dbb trauert um Waldemar Dombrowski Der zweite dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik Waldemar Dombrowski ist am 18. Mai 2025 unerwartet nach schwerer Erkrankung im Alter von 62 Jahren verstorben. Waldemar Dombrowski wurde am 9. Dezember 1962 in Szczytno geboren, war Witwer und hinterlässt zwei erwachsene Kinder. 1985 schloss er die duale Beamtenausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt ab und arbeitete als Sachbearbeiter, Arbeitsvermittler und Berufsberater beim Arbeitsamt in Dortmund. In dieser Funktion wechselte er 1991 zur Bundesagentur für Arbeit (BA) nach Nürnberg. Seine weitere berufliche Laufbahn umfasste die Stationen Abschnittsleiter, Abteilungsleiter, Abwesenheitsvertretung des Direktors und Kundenbereichsleiter. 1999 schloss er zudem ein Studium der Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaften und Rechtswissenschaften an der Fernuniversität in Hagen als Magister ab und stieg in den höheren Dienst auf. Er war ab 2005 Vorsitzender der Geschäftsführung bei der BA in Hof, ab 2006 bei der BA in Fulda und ab 2012 – bis zu seiner Wahl zum Fachvorstand Beamtenpolitik im Juni 2024 – Vorsitzender der Geschäftsführung der BA in Bad Hersfeld/Fulda. Waldemar Dombrowskis gewerkschaftliche Tätigkeit im dbb beamtenbund und tarifunion begann 1997 als Mitglied in der vbba – Gewerkschaft Arbeit und Soziales. Dort war er Vorsitzender einer Fachkommission und von 1998 bis 2002 stellvertretender Bundesvorsitzender. Am 25. Oktober 2002 wurde er zum Bundesvorsitzenden der vbba gewählt. Dieses Amt legte er im Juni 2024 nach seiner Wahl zum zweiten Vorsitzenden des dbb und Fachvorstand Beamtenpolitik nieder. Auf der Bundesebene des dbb war Dombrowski seit 2002 Mitglied im dbb Bundesvorstand, zeitweise Vorsitzender der Grundsatzkommission für Beamten- und Laufbahnrecht und Mitglied der Grundsatzkommission Arbeitsmarkt und Privatisierte Bereiche. „Waldemar Dombrowski wurde wegen seiner Kompetenz, Erfahrung und seiner Persönlichkeit bei allen Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt. Die Interessen der Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit und des gesamten öffentlichen Dienstes hat er jahrzehntelang mit großer Leidenschaft vertreten. Als Gewerkschafter ging er Konflikten nicht aus dem Weg, bewahrte sich aber immer seine freundliche und verbindliche Art und stand für ein faires Miteinander. Wir sind in dieser schweren Zeit in Gedanken bei seinen Angehörigen und werden Waldemar Dombrowski ein ehrendes Andenken bewahren“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 19. Mai 2025. © Andreas Pein AKTUELL 13 vbob Magazin | dbb seiten | Juni 2025
FACHTAGUNG Kreutz: Mitbestimmung weiterentwickeln Im Koalitionsvertrag von Union und SPD taucht das Personalvertretungsrecht nicht auf. Dabei warten auf die neue Regierung drängende Herausforderungen, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb, Milanie Kreutz, in ihrem Impuls zur Eröffnung des 15. dbb Forums Personalvertretungsrecht. „Änderungen im Bundespersonalvertretungsgesetz sind zwingend erforderlich“, machte Kreutz deutlich. „Das Gesetz sieht keine echte personalvertretungsrechtliche Beteiligung bei ressortübergreifenden Maßnahmen und bei Maßnahmen von gebündelten Serviceeinheiten vor. Das kann so nicht weitergehen. Viele Länder sind hier beispielsweise längst weiter als der Bund. Bei einem Auseinanderfallen von entscheidungsbefugtem Dienststellenleiter und zuständiger Personalvertretung muss die Frage der Beteiligung zwingend gelöst werden. Aus unserer Sicht sind in solchen Fällen die Interessen der betroffenen Beschäftigten am wirkungsvollsten durch die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zu vertreten.“ Kreutz betonte die grundsätzliche Bedeutung der Mitbestimmung: „Der öffentliche Dienst kann und muss hier Vorreiter sein für eine moderne, vielfältige, agile und digitale Arbeitswelt. Personalvertretungen sind dabei ein entscheidender Baustein. Sie tragen dazu bei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und das Wohlbefinden aller Beschäftigten zu gewährleisten. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich dafür ehrenamtlich einsetzen, verdienen unseren Respekt, denn ihre Arbeit erfordert Zeit und Kraft, Ausdauer und Verlässlichkeit – und manchmal kostet sie auch Nerven. Deshalb danke ich ihnen im Namen der gesamten dbb Bundesleitung für ihre Kreativität, ihre Umsicht, ihr Herzblut und ihr Einfühlungsvermögen.“ Wedde: Risiken und Nebenwirkungen von KI Prof. Dr. Peter Wedde, Experte für Arbeitsrecht und Datenschutz an der Frankfurt University of Applied Sciences, skizzierte in einem kurzweiligen Exkurs die technische Entwicklung im IT-Bereich der vergangenen 40 Jahre vom ersten PC über E-Mail und Internet bis hin zur künstlichen Intelligenz. Wedde gab zu, KI im Jahr 2022 noch „für eine Spielerei“ gehalten zu haben. Heute sei er überzeugt, dass die Technologie „unser Arbeitsleben grundlegend verändern wird“. Noch vor wenigen Jahren erschienen audiovisuelle Formate in der Personalratsarbeit revolutionär – heute sind sie Alltag. Wird es uns mit künstlicher Intelligenz ebenso ergehen? Wie verändern Neue Medien die Kommunikation zwischen Personalvertretungen und Beschäftigten? Im Spannungsfeld zwischen technologischem Fortschritt und permanenter Krisenbewältigung stellt sich zudem die Frage, wie Personalvertretungen Resilienz entwickeln, um Stand und Schritt zu halten. Am 28. und 29. April 2025 diskutierten Expertinnen und Experten im dbb forum berlin über die Zukunft der Personalvertretung. 15. Forum Personalvertretungsrecht Beschäftigte und Personalvertretungen im Umbruch Milanie Kreutz © Kerstin Seipt (12) 14 AKTUELL vbob Magazin | dbb seiten | Juni 2025
Dabei fielen fast alle KI-Systeme, die heute zum Einsatz kommen, unter den Bereich der „schwachen KI“, die besonders in Bereichen wie Sprache, Diagnostik und Logistik glänzt. Dennoch könne deren Potenzial „zur Büchse der Pandora in Sachen Kontrolle“ werden. Für Wedde ein Grund mehr für Personalräte, Schritt zu halten und sich mit der Technologie zu befassen. Das gelte insbesondere, wenn auch die Arbeitgeberseite KI verwende. Zwar seien viele Einsatzbereiche, in denen KI heute bereits in der Privatwirtschaft zur Anwendung kommt, für den öffentlichen Dienst ausgeschlossen. Wo ihr Einsatz jedoch möglich sei, ergeben sich wie bei jeder neuen Technologie Chancen, Risiken und Nebenwirkungen. So könne KI Arbeitnehmer einerseits von Standardaufgaben entlasten, bei Recherchen unterstützen und helfen, besser verständliche Texte zu formulieren. Andererseits berge sie Gefahren aufgrund mangelnder Transparenz und ihrer Möglichkeit zur Leistungssteuerung. In der Personalratsarbeit könne KI etwa die Korrespondenz verbessern, interne Abläufe optimieren und die Chancengleichheit gegenüber der Dienststellenleitung erhöhen. Sie schaffe aber auch neuen Regelungsbedarf, der Fachwissen erfordert. Ferner müssten Personalräte frühzeitig und umfassend über geplante KI-Anwendungen informiert werden, um ihre Beteiligungsrechte effektiv wahrnehmen zu können. Dies betrifft insbesondere Systeme, die Einfluss auf Personalentscheidungen oder die Überwachung von Beschäftigten haben. „Bildung wird plötzlich wieder sehr wichtig“, sagte Wedde und ermunterte die Tagungsteilnehmer, Fortbildungen zur KI einzufordern und zu nutzen, um selbst mitgestalten zu können. Panik sei hingegen fehl am Platze, „denn am Ende ist KI auch nur Software; sie denkt nicht logisch, sie rechnet nur schnell“. Gronimus: Auch online gelten Recht und Billigkeit Rechtsanwalt Dr. Andreas Gronimus beleuchtete die juristischen Grundlagen der Kommunikation zwischen Personalvertretungen und Beschäftigten. Zwei Aspekte stehen dabei im Fokus: Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz. Besonders bei weit gestreuten Formaten wie Flugblättern oder Chats sei darauf zu achten, dass nur zulässige Informationen weitergegeben werden. Beim Datenschutz bleibt die Dienststelle verantwortlich – auch wenn der Personalrat die Vorschriften einhält. Das birgt Haftungsrisiken für beide Seiten. Viele Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) stammen noch aus der Prä-Internet-Ära und wurden erst in jüngerer Zeit aktualisiert. Gronimus zeichnete die Entwicklung der Kommunikationswege vom klassischen Aushang bis zu E-Mails, PDF und Intranetbeiträgen nach. Trotz digitaler Alternativen warnte er vor einem vollständigen Verzicht auf analoge Formate: „Vergessen Sie nicht den Teil der Belegschaft, der nicht digital veranlagt ist.“ Digitale Kanäle erhöhen die Reichweite, stehen jedoch im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Informationen. Um wahrgenommen zu werden, sei eine kompakte Darstellung entscheidend. „Leserinnen und Leser entscheiden innerhalb von drei Sekunden anhand der Überschrift, ob sie weiterlesen“, so Gronimus, „und innerhalb von fünf bis zehn Sekunden anhand des Teasers, ob sie sich dem ganzen Artikel widmen.“ Regelmäßige Veröffentlichungen könnten helfen – allerdings nur mit der nötigen Substanz: „Fragen Sie sich, ob Sie überhaupt liefern können, bevor Sie ein Fass aufmachen.“ Noch wenig geregelt ist der Einsatz von Messengerdiensten. Voraussetzung ist die ausdrückliche Zustimmung der Dienststelle. Trotzdem bleibt das Risiko, dass interne Inhalte unkontrolliert weitergegeben werden – wie jüngst bei einer Chatgruppe des US-Verteidigungsministeriums. Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) sei rechtlich nicht abschließend geklärt. Gronimus mahnt: „Das Problem mit KI ist, dass Sie nicht wissen, wo Sie denken lassen.“ KI-Texte könnten nützlich sein, müssten aber sorgfältig geprüft werden – sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf Urheberrechte. Herausfordernd ist zudem die passive Kommunikation – also die Kanäle, über die Beschäftigte den Personalrat kontaktieren. Hier seien Vertraulichkeit und ein sicherer Umgang mit Kontaktdaten essenziell, etwa bei E-Mails oder Briefen. Sprechstunden per Video oder Telefon bieten zwar Erreichbarkeit, schaffen aber keine rechtliche Grundlage für mobiles Arbeiten. Und auch in sozialen Netzwerken müsse ohne aktive Moderation „Recht und Billigkeit“ gewahrt bleiben – jede Form der Moderation bedeute zusätzlichen Aufwand für Datenschutz und Zeitmanagement. Workshops: Keine Angst vor Fehlern Livia Kosch, Vorsitzende des örtlichen Personalrats Köln beim Bundesverwaltungsamt und vbob Mitglied, fragte die Teilnehmenden im Workshop „Fünf Jahre Videoschalte – was will man mehr!?“ und widmete sich weiterhin problematischen Themen, wie der Gültigkeit von Andreas Gronimus Peter Wedde AKTUELL 15 vbob Magazin | dbb seiten | Juni 2025
Abstimmungen während Videokonferenzen. Was passiert, wenn Personalratsmitglieder aus technischen Gründen nicht an Abstimmungen teilnehmen können? Wie sind geheime Abstimmungen auch in diesen Formaten möglich? Organisationsberater Dr. Joey-David Ovey diskutierte mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern seines Workshops „Ein Kinderspiel? Personalratstätigkeit in Teilzeit und im Homeoffice“ Freistellungsproblematiken von Personalratsmitgliedern, zunehmende Aufgabendichte und die Balance von Personalratsarbeit und Facharbeit. Der Workshop von Rechtsanwältin Kerstin Solaße von der dbb akademie zu „Dienstvereinbarungen KI – Zähmung einer widerspenstigen Technologie“ war auch der mit Abstand bestbesuchte. Solaße beruhigte die zahlreichen Fragesteller: Personalräte haben mit dem schrittweise in Kraft tretenden EU AI Act und der DSGVO starke, weltweit einzigartige Gesetze an ihrer Seite, die Dienstherren bereits heute Schulungs-, Informations- und Dokumentationspflichten auferlegen. Informationen darüber, welche KI in welcher Form und mit welcher Wirkungsweise in der eigenen Behörde eingesetzt werden soll, seien die Grundlage, auf der Datenschutzfolgeabschätzungen und Einschätzungen zu drohenden Gefahren für die Belegschaft vorgenommen werden könnten. Dass die so erarbeiteten Dienstvereinbarungen bei der rasanten Entwicklung ebenso rasch zu veralten drohen, könne durch Rahmendienstvereinbarungen mit aktualisierbaren Anlagen ausgeglichen werden, schlug Solaße vor und rief dazu auf, keine Regelungsscheu zu haben: „Die Entwicklung ist im Fluss. Man darf da auch Fehler machen.“ Knorz: Vertrauensvoll auch im Streitfall Zu Beginn ihres Vortrags „Keine Einigung trotz vertrauensvoller Zusammenarbeit – Chancen und Risiken des Stufen- oder Gerichtsverfahrens im Personalvertretungsrecht“ fragte Nicole Knorz, Rechtsanwältin im Bereich Arbeits- und Beteiligungsrecht, nach den persönlichen Erfahrungen der Anwesenden: „Wie haben Sie in einem vergleichbaren Fall entschieden?“ Nur wenige gaben an, den Gang zur Einigungsstelle oder vor das Verwaltungsgericht erwogen zu haben, nur ein einziger Personalratsvertreter habe auch tatsächlich geklagt. Knorz identifizierte drei mögliche Kategorien von Streitfällen und zeigte, in welchem Einzelfall welche Reaktion ratsam sei. Zunächst könne es Streit um die Frage geben, ob der Personalrat überhaupt an einer Entscheidung zu beteiligen sei. Hier könne der Gang vor das Verwaltungsgericht für beide Seiten Klarheit schaffen. In den beiden anderen möglichen Fällen stehe die Zuständigkeit des Personalrats zwar außer Frage, es herrsche aber entweder Uneinigkeit über die konkrete Umsetzung – dann solle die Einigungsstelle angerufen werden, oder es gebe Unsicherheiten bei der Einordnung des betreffenden Tatbestandes. Neben der notwendigen, aber teuren juristischen Prüfung empfahl Knorz Schulungen für die Mitglieder der betroffenen Personalräte. Die Juristin sparte die Nachteile der einzelnen Verfahren jedoch nicht aus: lange Verfahrensverläufe, während derer sich die Rechtsgrundlage für die Entscheidungen auch ändern könne, hohe Beratungs- und Verfahrenskosten. Stets sollten, ebenfalls unter professioneller Hilfe, die Erfolgsaussichten gegen die Verfahrensrisiken abgewogen werden. Wer aber die Auseinandersetzung meide, weil er auf der Gegenseite einen Vertrauensverlust befürchte, müsse sich fragen, wie es um ebendieses Vertrauensverhältnis bestellt sei. Rigotti: Ziele müssen erreichbar bleiben Prof. Dr. Thomas Rigotti, Arbeitsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Resilienzforschung und Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, stellte zentrale Ansätze zur Förderung von Resilienz am Arbeitsplatz vor. Grundlegend sei das Verständnis, dass Resilienzkapazitäten individuell unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Alltag treffen diese auf Stressoren und Widrigkeiten. Dann greifen Resilienzmechanismen und Bewältigungsstrategien. Ein resilientes Ergebnis zeigt sich in einer positiven Anpassung an die Belastung – je nach Intensität, Dauer und Häufigkeit der Stressoren sowie individueller Resilienz kann dies zur erfolgreichen Bewältigung, Adaption oder Erholung führen, aber auch zu Sensitivierung oder gesundheitlicher Verschlechterung. Rigotti benannte vier zentrale Faktoren zur Resilienzförderung: Stressbewertung, Zielkalibrierung, Stressinokulation und Erholung. Bei der Stressbewertung geht es zunächst darum, Stressoren zu erkennen und ihre Relevanz zu bewerten. Danach werden die Situation und verfügbaren Ressourcen eingeschätzt, was zu einer Joey-David Ovey Thomas Rigotti Kerstin Solaße Livia Kosch Nicole Knorz © Kerstin Illner 16 AKTUELL vbob Magazin | dbb seiten | Juni 2025
(Neu-)Bewertung führen kann. Die subjektive Perspektive spielt dabei eine große Rolle – was in einer Dienststelle als „normal“ gilt, kann in einer anderen als erheblicher Stressor wirken. Den Nutzen der Zielkalibrierung verdeutlichte Rigotti mit einem Zitat von Prof. em. Dr. Norbert K. Semmer (Universität Bern): „Stress hat mit der erlebten oder erwarteten Vereitelung von Zielen zu tun.“ Stress entstehe, wenn Ziele unerreichbar scheinen. Daher sei es entscheidend, dass Arbeit so gestaltet wird, dass Ziele erreichbar bleiben. Arbeitgeber sollten gemeinsam mit Beschäftigten Zielvereinbarungen treffen, statt Zielvorgaben einseitig festzulegen – ein Aspekt, der laut Rigotti häufig vernachlässigt werde. Die Strategie der Stressinokulation verglich Rigotti mit einer „Stressimpfung“: Durch kontrolliertes Aussetzen stressiger Situationen könne Resilienz erlernt werden – ein Befund aus mehreren seiner Studien. Die Erholung ist schließlich laut Rigotti das „letzte Puzzleteil“ im Umgang mit Stress. Entscheidend sei die Qualität des Erlebens. Er nannte vier Elemente wirksamer Erholung: Freude an der Tätigkeit, Kontrolle über Zeit und Leben, „Mastery“ – also das Gefühl von Fortschritt und Lernen – sowie psychische und physische Distanz zum Arbeitsalltag. Alle vier Aspekte benötigen soziale Unterstützung als „Schmiermittel“. Hier komme insbesondere den Personal- und Betriebsräten eine Schlüsselrolle zu. Sie informieren, vermitteln, absorbieren Spannungen – und sind selbst stark belastet. Deshalb sei auch für sie Resilienzaufbau essenziell. Rigottis Appell: In Krisensituationen sollte man sich nicht scheuen, Unterstützung anzunehmen. Becker-Lerchner: Umweltschutz braucht Akteure Friederike Becker-Lerchner, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Arbeits- und Personalvertretungsrecht, hat sich in ihrem Impulsvortrag mit dem Thema „Das umweltpolitische Mandat des Personalrats – Wunsch oder Realität?“ beschäftigt. Haben Personalvertretungen ein Mandat, umweltpolitische Anliegen innerhalb der Dienststelle zu vertreten, und ist dieses Mandat eher theoretischer Natur oder findet es Anwendung in der Praxis? Zwar sei Umweltschutz im Bundespersonalvertretungsgesetz nicht erwähnt. Das bedeute aber nicht, dass es keine Möglichkeiten für Personalvertretungen gebe, umweltpolitische Aspekte in ihrer Arbeit zu verfolgen. „Im Gegenteil, dieses Themenfeld benötigt Akteure und sollte auch im Personalrat gelebte Realität sein“, unterstrich die Anwältin. Um das umzusetzen, könne der Personalrat bestehende Mitbestimmungsrechte nutzen, denn Umweltschutz sei auch Gesundheits- und Arbeitsschutz, „und in diesen Bereichen greifen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen natürlich“. Weiterhin sähen die Landespersonalvertretungsgesetze von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Spielräume vor, die interpretatorisch genutzt werden könnten. „Das alles steht und fällt letztlich zwar mit der Offenheit des jeweiligen Dienstherrn gegenüber Neuerungen“, so Becker-Lerchner. Entmutigen lassen sollten sich Personalräte jedoch nicht, sondern bewusst Gestaltungsmöglichkeiten suchen. „Dazu eignet sich besonders der soziale Bereich“, erläuterte die Referentin und gab konkrete Beispiele: Die Kantine auf Bioprodukte und Mehrweggeschirr umzustellen, einen Veggie Day einzuführen oder mit den Dienstherrn Energiesparkonzepte zu erarbeiten, seien Möglichkeiten, den Umweltaspekt im öffentlichen Dienst zu fördern. Auch im Bereich der Entgeltstruktur seien Möglichkeiten vorhanden wie die gezielte Förderung des ÖPNV, Jobräder oder Homeoffice. Kascherus: Konflikte offen diskutieren Stefan A. Kascherus, Jurist und Bundesbeamter, referierte zum Abschluss über „Anzeigepflichten des Personalrats im Spannungsfeld zwischen Schweige- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn“. Dabei vermittelte er zunächst einen Eindruck davon, wie umfassend die Verschwiegenheitspflichten von Personalräten sind – und wie folgenschwer ein Verstoß sein kann, droht doch unter Umständen nicht nur ein Ausschluss aus dem Personalrat, sondern sogar ein Strafverfahren. Gleichzeitig sind auch Personalräte weiterhin gegenüber ihrem Dienstherrn zur Loyalität verpflichtet. Auch das Bundespersonalvertretungsgesetz schreibt vor, dass Dienststelle und Personalvertretung „unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge“ vertrauensvoll zusammenarbeiten. So können Interessenkonflikte entstehen, die letztlich doch dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht gerechtfertigt oder sogar geboten ist – wenn etwa die Gesundheit anderer Kolleginnen und Kollegen gefährdet ist, wie Kascherus anhand praktischer Beispiele deutlich machte. Als grundsätzlichen Tipp gab der Fachmann mit auf den Weg, mögliche Konflikte in einem ersten Schritt möglichst offen innerhalb der Personalvertretung zu diskutieren. ada, br, dsc, ef Friederike Becker-Lerchner Stefan A. Kascherus AKTUELL 17 vbob Magazin | dbb seiten | Juni 2025
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