Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler sagt, bald entscheide sich, ob Europa im 21. Jahrhundert noch als eigenständiger Faktor eine Rolle in der Welt spielen kann oder ob seine Bestandteile unter den bestimmenden Einfluss alter und neuer Großmächte geraten. Setzt der Koalitionsvertrag die richtigen Schwerpunkte, damit Deutschland eine gestaltende Rolle in Europa einnimmt? Ohne Europa geht nichts mehr. Mit nationalem Klein-Klein wird kein Mitgliedstaat auf unserem Kontinent bestehen können. Der Koalitionsvertrag erkennt das an, deswegen zieht sich Europa wie ein roter Faden von Anfang bis Ende. Als bevölkerungsreichstes Land in der EU werden wir immer eine gestaltende Rolle haben. Was ändert sich an der europapolitischen Koordinierung der Bundesregierung, also an den Abstimmungsprozessen in der Bundesregierung, zwischen den Ressorts? Welchen Einfluss hat die SPD auf die deutsche Europapolitik? Die neue Regierung strebt an, sich effektiver zu vernetzen. Probleme sollen frühzeitig erkannt und ausgeräumt werden. So wird der „German Vote“ – also die Enthaltung in letzter Minute – hoffentlich der Vergangenheit angehören. Europa muss in allen Ministerien mitgedacht werden, und da wird die SPD genau drauf achten. Welche Maßnahmen sollte Deutschland auf europäischer Ebene vorantreiben, um die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu sichern? Wir setzen uns für eine konsequente Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus ein. Wer systematisch gegen Rechtsstaatlichkeit verstößt, dem werden Fördergelder gesperrt. Ich erwarte von der neuen Bundesregierung, dass sie Verfahren in dem Bereich auf allen Ebenen konsequent unterstützt. Wie würden Sie die europapolitische Leitidee der künftigen Bundesregierung und der sie tragenden Koalition beschreiben? Die europapolitische Leitidee der nächsten Bundesregierung ist ein starkes, souveränes und handlungsfähiges Europa. Wirtschaftlich werden wir noch wettbewerbsfähiger und unabhängiger. Wir stehen konsequent zu unseren Werten und gehen geopolitische Herausforderungen gemeinsam und solidarisch an. Welche Kernaussagen zu Europa hätten Sie sich als Mitglied des Europäischen Parlaments im Koalitionsvertrag gewünscht? Ich habe für die SPD die Verhandlungen in Europa geleitet. Die Atmosphäre mit den Kolleginnen und Kollegen der Union war gut, wir konnten uns in allen inhaltlichen Punkten einigen. Von daher bin ich mit den europapolitischen Inhalten sehr zufrieden. _ Bereit für Großkrisen? – Die EU plant für den Ernstfall Der dbb begrüßt die Mitteilung der EU-Kommission zur „Bereitschaftsunion“ und betont die Bedeutung des Berufsbeamtentums. Angesichts geopolitischer Herausforderungen müsse die Union widerstandsfähiger werden – durch demokratische Institutionen, robuste Infrastrukturen, gesellschaftlichen Zusammenhalt und funktionierende öffentliche Dienste. Der dbb warnt vor neuer Bürokratie und fordert Investitionen in bestehende Strukturen und Personal. Ein starker öffentlicher Dienst sei essenziell für die Krisenvorsorge und den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Autoritäre Tendenzen in einigen EU-Staaten gefährdeten Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Deshalb müsse die Bereitschaftsunion eng mit dem Europäischen Demokratieschild verknüpft sein. Gesellschaftliche Resilienz, Katastrophenschutz und Cybersicherheit erforderten eine moderne, bürgernahe Verwaltung – unterstützt durch Digitalisierung, Personalentwicklung und europäische Zusammenarbeit. EUROPA Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Ohne Europa geht nichts mehr Preparedness Strategie Katarina Barley (SPD) ordnet die europapolitischen Implikationen des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD ein und unterstreicht die gestaltende Rolle der Bundesrepublik Deutschland in der Europapolitik. © EP/Fred Marvaux Foto: Colourbox.de INTERN 13 vbob Magazin | dbb seiten | Mai 2025
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