Profile 1-2022

Seit den 1970er-Jahren hatte Newton nahezu unbegrenzte Möglichkeiten beim Shooting vor Ort, ob per Helikopter am Strand von Hawaii oder in einem Pariser Stundenhotel, wo er Unterwäsche fotografierte und über die Spiegel im Raum stets im eigenen Bild sichtbar blieb. So testete Newton immer wieder gesellschaftlich-moralische Grenzen aus und definierte sie mitunter neu; er verstörte und verzauberte die Menschen mit seinen Visionen und Visualisierungen von Mode und Weiblichkeit – und das bis zu seinem Lebensende. Wohl kein Fotograf wurde häufiger publiziert als Helmut Newton. Heute sind viele seiner ikonischen Bilder Bestandteil des kollektiven Bildgedächtnisses. DIE SPEZIELLE NEWTON-ÄSTHETIK Newton entwickelte eine spezielle, eigene Ästhetik, die seine Bilder sofort identifizierbar machten. Viele Arbeiten und Porträts drehen sich um die Welt von Geldadel, Jetset, Glamour und Schmuck. Sich selbst bezeichnete der Fotograf als „professionellen Voyeur“. Seine oft als nur Objekte kritisierten Motive sind aber eben auch Handelnde. Newton kommentierte das so: „Ich fotografiere gern Frauen, denen man ansieht, dass sie etwas vom Leben wissen.“ Für den Kritiker der Deutschen Presse Agentur wirkt daher die von Newton dargestellte Sexualität schon in sehr frühen Jahren von den Frauen selbstbestimmt. Aber es gibt auch andere Sichtweisen. Vor allem seine Aktfotografien verschaffen Newton viele Kritiker, nicht nur bei feministischen Gruppierungen. Am bekanntesten sind wohl die „Big Nudes“, Aufnahmen überlebensgroßer Frauen in martialischer Nacktheit. Sie gelten als fotografische Ikonen, ebenso bewundert wie umstritten. Die Ausstellung präsentiert auch Newtons Varianten, in denen er Frauen in identischer Pose nackt wie auch mit aktueller Mode fotografierte. Die Parallelität lässt die Frage offen, ob sich die Dargestellten von der einen zur anderen Aufnahme aus- oder angezogen haben. Die Ausstellung „Legacy“ ist noch bis zum 22. Mai im Berliner Museum für Fotografie zu sehen. Ein extra Raum ist Arbeiten von Alice Springs vorbehalten. Unter diesem Pseudonym fotografierte June Newton. June und Helmut Newton waren seit ihrer Heirat 1948 privat und beruflich ein Paar. Die Ausstellung sollte ursprünglich bereits im Oktober 2020 anlässlich des 100. Geburtstag des Fotografen eröffnet werden. Coronabedingt war die Retrospektive um ein Jahr verschoben worden. Helmut Newton, Prada, Monte Carlo, 1984 © Helmut Newton Estate courtesy Helmut Newton Foundation Helmut Newton, Elle, Paris, 1969 © Helmut Newton Estate courtesy Helmut Newton Foundation Helmut Newton, Courrges Queen Magazin, Paris, 1964 © Helmut Newton Foundation 24 PROFILE 1/2022 szene TRENDS

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