Profile 1-2024

leben TRENDS 30 PROFILE 1/2024 giebiger. Empathisches Zuhören ist die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zurückzustellen und dennoch emotional zu sein. Das Beziehungsohr ist der Schlüssel dazu. NACHFRAGEN STATT BEWERTEN Warum uns das Zuhören oft so schwer fällt, liegt auch dran, dass wir meinen, alles, was wir hören, bewerten und kommentieren zu müssen. Da erzählt jemand, er oder sie ernähre sich nur noch vegan. Sofort erklären wir, warum wir das gut oder schlecht finden und was überhaupt unsere Meinung zum Thema Veganismus ist. Das einfach so hinzunehmen oder interessiert nachzufragen, scheint extrem schwierig zu sein. Und auch gut gemeinte Ratschläge sind in Wirklichkeit oft Bewertungen. „Ratschläge sind auch Schläge“, sagt ein Sprichwort. Denn der- oder diejenige, die den Rat gibt, hat das Sagen. Er oder sie sagt der anderen Person, was zu tun ist, und gibt ihr damit das Gefühl, dass sie dazu selbst nicht in der Lage ist. Gute Zuhörer:innen dagegen ermutigen durch ihre Aufmerksamkeit und Empathie, eigene Lösungen zu finden. Ratschläge sind aber nicht per se schlecht. Oft sind Ratschläge sogar erwünscht. „Was würdest du an meiner Stelle tun?“, ist eine solche Aufforderung. Jemand will eine Meinung hören und ist bereit, zuzuhören. Aber auch in Unternehmen gibt es Nachholbedarf beim Zuhören. Eine Studie der Jerusalem School of Business Administration konnte nachweisen, dass die Motivation von Mitarbeiter:innen leidet, wenn Vorgesetzte nur vorgeben zuzuhören, tatsächlich aber – meist aus Zeitmangel – gedanklich schon woanders sind. Wertschätzender Umgang gehört in vielen Unternehmen zum Leitbild. Unaufmerksames Zuhören wird jedoch schnell als das Gegenteil von Wertschätzung empfunden. Wie eine Lösung aussehen kann, zeigt ein Forschungsprojekt an der University of Washington in Seattle. So ist es bei Teambesprechungen hilfreich ist, wenn einer der Anwesenden die Rolle des/der Moderator:in übernimmt – und sich selbst zurücknimmt. Dessen Aufgabe ist es, Fragen zu stellen, zusammenzufassen, was eben gesagt wurde, hervorzuheben, was wichtig ist und nachzufragen, ob es so stimmt. Die Moderator:in übernimmt sozusagen die Rolle eine:r professionellen Zuhörer:in, die gleichzeitig dafür sorgt, dass keine Aussage untergeht oder missverstanden wird. Susanne Mittenhuber Fotos: iStockphoto (2)

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