Profile 4-2022

12 PROFILE 4/2022 deutung gewinnen. Aber wie grün es denn wirklich sein muss oder soll, ist eine individuelle Entscheidung. Genauso übrigens wie Luxus. Was etwas wert ist, bestimmt nicht die Industrie, sondern die Käufer*innen und die unterschiedlichen Zielgruppen. Es geht also nicht mehr nur um zertifizierte Naturkosmetik ... Grüne Konzepte haben eine große Bandbreite. Dabei geht es natürlich um Naturkosmetik und Clean Cosmetics, aber auch darum, wie glaubwürdig und transparent eine Marke ist. Das ethische Verhalten einer Marke wird mittlerweile von immer mehr Menschen eingefordert. Für Marken bedeutet das, nicht nur über Nachhaltigkeit zu sprechen, sondern auch Haltung zu zeigen und Taten folgen zu lassen. Es geht also nicht um einzelne Maßnahmen, sondern um ein Mindset, das sich durch die komplette Marken-DNA und die Positionierung der Marke zieht. Menschen werden nicht nur immer sensibler dafür, was sie auf ihre Haut lassen, sondern auch welche ökologischen und sozialen Auswirkungen dies hat. In der Trend- und Sozialforschung spricht man neben dem ethischen Konsum mittlerweile auch vom moralischen Konsum. Menschen wollen ihren eigenen Beitrag über die Art ihres Konsums leisten. Sie selbst verwenden den Begriff „Conscious Beauty“. Was meinen Sie damit? „Conscious“ Beauty mag ich deshalb, weil er viele Facetten widerspiegelt. Auf der einen Seite die persönliche Ebene. Conscious bedeutet hier Achtsamkeit, Well Being, das eigene Wohlbefinden zu unterstützen, Prävention zu betreiben. Aber Conscious Beauty bedeutet eben auch, die Art des Produkts in Bezug auf die Wertschöpfungskette zu betrachten. Da sind wir bei dem Thema, was drin ist und wo es her kommt. Auf Kundenseite gibt es hierzu immer mehr Fragen. Natürlich informieren sich einige mehr als andere, aber die Tendenz in der Gesellschaft ist klar: Mehr Selbstbestimmung, mehr Partizipation und dafür brauche ich Informationen. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass an unserem Werteportfolio gerade ganz gewaltig gerüttelt wird. Pandemie, Klimawandel, der Krieg in der Ukraine. All das beeinflusst unsere Wünsche und Bedürfnisse, aber auch unsere Ängste und Befürchtungen. Das macht sich in anderen Kaufmotiven bemerkbar. Conscious Beauty geht auf dieses Werteportfolio ein. Weitere Begriffe sind Circular Beauty und Waterless Beauty ... Sie zielen ebenfalls voll auf das veränderte Konsumverhalten und die Kaufmotive ab. Diese Tendenz findet sich auf unterschiedlichen Absatzkanälen und auch das Angebot von Anbieterseite nimmt zu. Es gibt viele tolle Innovationen, die letztendlich immer ressourcenschonend sind. Dabei geht nicht nur um feste Shampoos, sondern es passiert z.B. aktuell auch rund um pulverisierte Produkte sehr viel.. Und auf Konsumentenseite ist eine erhöhte Bereitschaft und Neugierde da. Dazu kommt die Sehnsucht nach Natur. Das heißt nicht, dass alle radikal „back to nature“ gehen wollen. Es gibt viele Facetten und da sind wir wieder bei Clean Cosmetics. Ist das eine Chance für Marken, neue Kunden zu gewinnen? Die Bereitschaft, neue Dinge und Marken auszuprobieren, ist durch das, was gerade passiert und wie wir uns als Gesellschaft insgesamt verändern, so groß wie schon lange nicht mehr. Darin liegt die Chance für Marken. Und es sind vor allem junge Menschen, die gerne Neues ausprobieren. Sie interessieren sich für neue Konzepte, für neue Produkte. Für Unternehmen ist es genau der richtige Zeitpunkt, das Markenportfolio zu überdenken und die Herausforderung, nachhaltig zu wirtschaften, anzunehmen. Die Frage für Unternehmen ist: Wie kann ich mich nach außen präsentieren und meine Angebote auch dementsprechend ausrichten? Das stellt dann aber auch die Parfümerie vor neue Herausforderung. Denn es geht nicht mehr nur darum, was ein Serum oder Lippenstift kann ... Es geht um den Purpose der Brand. Es geht um die Berechtigung der Marke, um ihren Beitrag für die Gesellschaft. Und da sind die jüngeren Generationen sehr interessant. Sie suchen nach einer Markenwelt, mit der sie sich voll und ganz identifizieren können und die auch ihren Überzeugungen entspricht. Es geht nicht mehr nur um das einzelne physische Produkt, sondern um eine Resonanzbeziehung zwischen Marke und Konsument*in. Bei Resonanzbeziehungen ist Partizipation ein wichtiges Thema. Ich kaufe eine Produktlinie und weiß, einTeilbetrag der Kaufsumme geht in ein bestimmtes soziales oder ökologisches Projekt. Das funktioniert auch sehr gut bei den Themen Verpackung und Recycling. ZeroWaste und Cradle-to Cradle-Ansätze verlangen von Unternehmensseite sehr viel Transparenz, aber es gibt eine Zielgruppe, die darauf anspringt. Wenn ich mich für diese Marke entscheide, verursache ich automatisch weniger Müll und ich tue sogar noch etwas Gutes, weil ein Teil meines Geldes für ein Natur- oder Sozialprojekt gespendet wird. Wie interessant ist diese Zielgruppe überhaupt für Unternehmen? 20 Prozent der deutschen Gesamtkosmetik sind grüne Konzepte, davon entfallen elf Prozent auf die Naturkosmetik. Der Rest ist noch konventionell. Die Marktsituation ist vergleichbar mit dem Foodbereich. Wir sprechen extrem viel über Bio und Gemüse, aber warum tun wir das? Es ist nur ein kleiner Teil vom Kuchen, aber es ist der Wachstumstreiber im Gesamtmarkt. Es gibt ein sehr großes Interesse bei den Konsument*innen – nicht nur im Lebensmittelhandel, sondern auch in der Kosmetik –, nachhaltig, bewusst und naturnah zu kaufen. Die Anbieterseite – also Handel und Industrie – kann dieses Potenzial nutzen. Die Tendenz ist steigend, auch auf internationaler Ebene. Wir sind mitten in einemWertewandel und letztendlich müssen es die Industrie oder auch der Handel schaffen, eine Brücke zu bauen. Nachhaltigkeit und Gesundheit sind die Themen dazu. Interview: Susanne Mittenhuber szene TRENDS Im Gespräch mit Beauty- und Nachhaltigkeitsexpertin Mirja Eckert.

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