Profile 4-2023

PROFILE 4/2023 31 Das müssen Sie näher erklären ... Ich komme zwar von der Herstellermarkenseite, habe aber immer sehr stark vertriebsorientiert gearbeitet. Es hat mich immer gefuchst, dass gesagt wurde, wir kennen unsere Konsument*innen wahnsinnig gut. Aber de facto haben die Hersteller ein B2B-Vertriebsmodell. Die ganz großen Marken verkaufen ja nach wie vor zu einem großen Teil an Handelspartner und sind damit weit weg von denen, die an der Kasse stehen und verkaufen. Für mich war es immer wichtig, den Prozess bis zum Ende kennenzulernen und näher an den eigentlichen Kaufentscheidungen zu sein. Hinzu kam, dass wir von Händler*innen und Konsument*innen immer wieder zurückgespielt bekamen, dass das Thema Probieren von Produkten in der Parfümerie und bei Körperpflegeprodukten allgemein ein unheimlicher Treiber für die Kaufentscheidung ist. Dazu gibt es auch Daten. Aber gleichzeitig ist das System bis heute so aufgebaut, dass nicht jede*r Konsument*in die Produkte ausprobieren kann, die er oder sie braucht, sich wünscht oder empfohlen bekommt. Das ist für diejenigen auf der Fläche frustrierend, denn sie können nicht das Kauferlebnis bieten, das sie möchten. Und ich kann auch sehr gut die Kundin verstehen, die die empfohlene Augencreme für 80 Euro erst einmal ausprobieren möchte und enttäuscht ist, wenn das nicht möglich ist. Dieses Paradoxon, dass man ein Problem kennt und benennen kann, aber nicht klärt, hat mich schon vor zehn Jahren beschäftigt. Was ist genau das Problem an der jetzigen Testmuster-Praxis? Sehr gut kann man das bei Duft-Pröbchen sehen. Die Marken schicken Unmengen von Testmustern ihrer Neuheiten oder Bestseller an die Parfümerien. Man hat zwar Testmuster, die nach Quantität möglicherweise den Bedarf decken, aber nicht von der Qualität her. Ein differenziertes Testen der Düfte ist nicht möglich. Das führt dazu, dass die meisten Duftpröbchen weggeworfen werden. Eine enorme Verschwendung. Sie sind also Gründerin aus Überzeugung geworden? Mir hat es beim Unternehmensaufbau geholfen, dass ich eine große Überzeugung und Emotion für das Thema habe. samplistick ist nicht allein aus einer nüchternen Marktanalyse heraus entstanden, sondern ich kann auch mit einer tiefen Verbundenheit und natürlich Expertise argumentieren. Ich kann sagen, dass ich mir die gesamte Wertschöpfungskette im Rahmen meiner Stationen genau angeschaut habe, und das hilft mir heute als Gründerin sehr. Ja, ich habe die Emotion und die Leidenschaft für das Thema, aber eben auch die Expertise. Nachhaltigkeit ist derzeit das große Thema in der Beauty- und Kosmetikbranche. Inwiefern hat Sie das motiviert? Meine Intention war ganz klar das Kundenerlebnis. Aber die neue EU-Verpackungsverordnung unterstützt mein Produkt und die Idee von samplistick. Das war mir am Anfang nicht bewusst. Im Rahmen des Green Deal muss es künftig mehr Mehrwegverpackungen geben und die Recyclingquote sowie der Einsatz von Recyclingmaterial müssen erhöht werden. Unnötige Verpackung muss abgeschafft werden. Zum ersten Mal wurde jetzt auch das Thema Einweg-Miniaturverpackungen in der Kosmetik namentlich erwähnt. Das heißt also, es ist ein Thema, das auf die Hersteller und den Handel zukommt – und nicht mehr bloß eine Option. Wie reagieren die Hersteller und Marken auf Ihre Pröbchen-Offensive? Schließlich steht dann ja nicht mehr der Name des Produktes darauf. Ja, da habe ich mich auch auf Diskussionen eingestellt. Denn samplistick ist eine Foto: samplistick/Martin Frey

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