Profile 2-2023

43 PROFILE 2/2023 wesentlicher Indikator für Trends, aber auch für weltbewegende Ereignisse – im Netz wie im Leben. In einer Studie der Universität der Bundeswehr München hatten Forschende schon 2019 festgestellt, dass die Bedeutung des Hashtags über die Strukturierung oder Verbreitung von Inhalten hinausgeht und einen integralen Bestandteil moderner Social-Media-Kommunikation darstellt. Auf Basis von sechs empirischen Studien wurden die Motive für die Verwendung von Hashtags ermittelt. Dabei konnte die Studie insgesamt zehn verschiedene Motivationen für die Hashtagnutzung identifizieren und validieren. Dazu gehörte auch der Wunsch, andere zu unterhalten, zu inspirieren und zu unterstützen. Tatsächlich entwickeln sich über Hashtags nicht erst seit gestern Solidaritäts- oder Protestbewegungen in den Sozialen Medien. Viele haben einen politisch und gesellschaftlich relevanten Charakter. Beispiele dafür sind etwa der internationale Hashtag metoo, der immer wieder auf sexuelle Gewalt gegenüber Frauen aufmerksam macht, oder, insbesondere seit Corona, der Hashtag medizinbrennt, der auf Missstände im Gesundheitssystem in Deutschland hinweist. Unter anderen Hashtags sind es vornehmlich Betroffene, die individuelle Erlebnisse austauschen – etwa unter #notjustsad Menschen mit Depressionen. Der digitale Austausch mit Gleichgesinnten kann dabei helfen, Hilfe zu finden und eigene Erlebnisse zu verarbeiten. Hashtags sind dabei durchaus auch Alltagsbegleiter – und sie sind dies nicht nur in Krisen, sondern auch in den schönen Momenten des Lebens. Die Raute fügt Tweets oder Posts wahlweise erklärende Details zu oder auch eine neue Bedeutung, manchmal sogar beides. Wer beispielsweise ein Urlaubsfoto mit #beautiful oder #sun markiert, macht deutlich, was ihm besonders gefällt. Der Hashtag couplegold zeigt an, dass man die Ferien zu zweit genießt, der Hashtag throwback zeigt an, dass es sich um ein vergangenes Ereignis handelt. Mit sogenannten Light Boxes, hinterleuchteten Deko-Elementen, haben sich viele Menschen in den vergangenen Jahren ihre persönliche Sinnspruch-Plattform ins eigene Zuhause geholt und können dort zur jeweiligen Stimmung den passenden Hashtag „posten“. Die Hashtags loveyourself oder selflove wirken wie Mantras, die Hashtags beautiful, happy oder cute freuen den Partner oder die Partnerin und mit dem Hashtag friyay kann man sich in der Videokonferenz mit den Kollegen aufs Wochenende einstimmen. Die genannten Begriffe gehören im Übrigen alle zu den Trend-Hashtags 2023! Klar ist aber auch: Hashtags sind vergänglich, das Netz vergisst zwar nichts, aber es verliert leicht das Interesse. Forschende der Technischen Universität Berlin, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, des University College Cork und der Technical University of Denmark haben herausgefunden, dass die Aufmerksamkeitsspanne unserer Gesellschaft für ein einzelnes Thema tatsächlich immer kürzer wird. Besonders gut lässt sich das anhand der sozialen MedienplattformTwitter erklären. Während 2013 ein Hashtag durchschnittlich 17,5 Stunden in der Top-50-Liste war, blieb er dort 2016 nur noch durchschnittlich 11,9 Stunden. Silke Bruns Foto: Annie Spratt/Unsplash Foto: Randy- Tarampi/Unsplash

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