vbob Magazin 09/2023

die Politikerinnen und Politiker. Sie sind allerdings oft nicht mehr in der Lage, die eigene Vorgehensweise argumentativ verständlich zu unterlegen, und neigen – vielleicht auch in Anbetracht der geforderten Kürze der Statements durch die Medien – leider zum Phrasieren. Das fällt uns allen auf, das nervt uns alle gleichermaßen. Konkreten Fragen von Bürgerinnen und Bürgern ausweichen können die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht. Sie sind das Gesicht des Staates. Wenn – wie so oft – aus hoch komplizierten politischen Kompromissen kaum umsetzbare bürokratische und juristische Monster entstehen, so sind es am Ende die Beschäftigten, die nicht nur gewusst hätten, wie man es praktikabel hätte gestalten können, aber nicht gefragt wurden, die den Fragestellern am Ende erläutern müssen, warum die verschwurbelte Verwaltungsanweisung Sinn macht. Diese Erlebnisse führen neben einer Politik- und Staatsverdrossenheit zudem auch zu einer Demokratrieverdrossenheit, einer nicht zu unterschätzenden Gefahr für unser Land! Auch die Beschäftigten der Bundesverwaltung sehen die wirklich wichtigen Themen: In fast jeder Personalversammlung spielen die Themen Fachkräftegewinnung, demografischer Wandel, langwierige und komplexe Entscheidungsprozesse sowie die Summe überbordender Bürokratie folgerichtig eine zentrale Rolle. Eines der in der Forsa-Umfrage des dbb besonders kritisch bewerteten Politikfelder ist die Flüchtlings- und Asylpolitik. Die Unterschiede zwischen der politischen Bewertung der grundsätzlichen Fragestellung und der vor Ort erlebbaren Schwierigkeiten, die auch lokale Politikerinnen und Politiker farbunabhängig den Bundespolitikern schildern, verhindern Veränderungen. Dass es außer zu pressewirksamen Gipfeln nicht zu Maßnahmen zur Entlastung der Gemeinden vor Ort kommt, bemerken die Menschen und das frustriert sie ebenfalls. Auf Ebene der Bundesverwaltung beschäftigt sich seit inzwischen 70 Jahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in diesem Politikfeld. Dort kümmern sich die Kolleginnen und Kollegen in einem ebenso bürokratisch geprägten Umfeld unter starker politischer Einflussnahme aufopferungsvoll um die staatliche Aufnahme schutzsuchender Menschen aus der ganzen Welt. Lesen Sie in dieser Ausgabe einen Artikel zum Jubiläum des BAMF. Wir gratulieren als vbob der Behörde insgesamt, aber besonders den Kolleginnen und Kollegen; sagen an dieser Stelle auch einmal Danke für euren guten Job. Auch für die Beschäftigten des BAMF hat sich der vbob eingesetzt und so konnte mit dem Entwurf des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes auch die Verlängerung der Zulagenzahlung für die Beschäftigten des BAMF erreicht werden. Die in Anbetracht der enorm steigenden Flüchtlingszahlen dringend notwendigen personellen Verstärkungen hat die Bundesregierung – wie viele andere sinnvolle Vorschläge und zulasten der Beschäftigten, hier des BAMF – abgelehnt. Kopf hoch, bleiben Sie kritisch und gesund! Mit besten Grüßen Ihr Frank Gehlen Bundevorsitzender < Editorial Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, kommt es Ihnen auch so vor, als ob sich die politischen und vermeintlich gesellschaftlichen, öffentlichen Diskussionen auf einer eher theoretischen Ebene abspielen? Gewinnen Sie ebenfalls den Eindruck, dass die öffentlichen Debatten in weiten Teilen kaum noch Kontakt mit Ihren persönlichen Alltagsfragen im privaten wie auch im beruflichen Umfeld haben? Bei meinen vielen Gesprächen mit Beschäftigten der Bundesverwaltung im Rahmen von Personalversammlungen, Mitgliederversammlungen, Behördenfesten und auch bei den Kontakten, Anfragen per Mail erreichen mich diese grundsätzlichen Fragestellungen immer häufiger und ich kann sie gut nachvollziehen. In der Debatte um den Staat und seine Organe sowie um das Vertrauen in selbige gibt es inzwischen große Risse. Dies hat zuletzt die Forsa-Umfrage des dbb gezeigt. Nur 27 Prozent der Befragten trauen dem Staat noch die Aufgabenbewältigung zu. Hier stellt sich nicht nur für mich, unseren vbob, die Mitglieder, sondern für alle Beschäftigten der Bundesverwaltung die Frage, ob wir Teil des Problems oder der Lösung sein wollen. Kopf hoch, so lautet die Überschrift unseres Leitartikels. Dieser setzt sich mit der derzeitigen Wahrnehmung der verwaltungsinternen Problemfelder auseinander und versucht dabei auch die Rolle von uns Beschäftigten in der Bundesverwaltung zu formulieren. Die Frage, wer in einer aktiven Entscheidungsrolle verantwortlich ist und wer in der problemadressierenden Rolle, verwischt ebenfalls zunehmend. Prominentes Beispiel dafür war die hier sinngemäß beschriebene Frage der ARD-Hauptstadtkorrespondentin Hassel an die SPD-Co-Parteivorsitzende Esken im Sommerinterview: Sie beschreiben die ganze Zeit nur die Probleme, haben Sie auch (als Chefin der kanzlerstellenden Partei) Lösungsvorschläge? Hier zeigt sich meines Erachtens ein zentrales Feld der Unzufriedenheit mit dem Staat. Öffentlich wahrnehmbar sind zumeist nur © Reimo Schaaf 3 vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte vbob Gewerkschaft Bundesbeschäftigte > vbob Magazin | September 2023

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